Stadt der toten Straßen

Menschenleere Räume nur für Autos: Carsten Rabe hat Hamburger Magistralen fotografiert

Rabe zeigt menschenleere Orte Foto: Carsten Rabe

Von Jana Hemmersmeier

Richtungspfeile, die wie Hieroglyphen aussehen, breite Asphaltdecken und kaum Menschen: Hamburgs Ein- und Ausfallstraßen sind vergessene Orte. Die Stadt hat sich so lange Zeit wenig mit Straßen wie der Langhorner Chaussee oder der Wedeler Landstraße beschäftigt, dass sie das jetzt nachholen will. Ein Bauforum entwickelte vergangene Woche Konzepte, um die Magistralen zu nutzen.

Seine Sicht auf die großen Straßen zeigt der Hamburger Fotograf Carsten Rabe nun im „Raum linksrechts“ im Hamburger Gängeviertel. Die Stadt hatte ihn beauftragt, für das Bauforum die Magistralen zu fotografieren, daraus ist schließlich eine eigene Arbeit geworden. „Ich glaube, jetzt kennt niemand die Magistralen besser als ich“, sagt Rabe. Zwei Monate lang war er immer wieder an den Einfallstraßen unterwegs.

Stinkend, laut, aggressiv. So hat er dabei die Fahrzeuge wahrgenommen. „Es gibt nichts Sinnloseres, als mit dem Auto in der Stadt unterwegs zu sein“, sagt Rabe. Die Magistralen sind eigentlich als Verkehrsadern gedacht, zu Stoßzeiten sind sie jedoch jeden Tag verstopft.

Läden oder Parks gibt es dort außerhalb des Zentrums nicht. Die Straßen sind nur für Autos da. Deshalb sind sie für Rabe völlig falsch genutzte Räume, vergessene Orte eben. Ändern könne sich das nur, wenn das Auto nicht mehr das wichtigste Verkehrsmittel in Hamburg ist. Das ist die Botschaft seiner Ausstellung.

Die einzelnen Bilder sprechen dabei nicht immer für sich. Rabe arbeitet konzeptionell, die Bilder sollen einen Gesamteindruck vermitteln. Großformatige Aufnahmen von Kreuzungen zeigen die leeren, grauen Räume. Menschen sind fast nie zu sehen, weil es sie an den Magistralen eigentlich nicht gibt, sagt Rabe: „Alle, die nicht im Auto sitzen, wollen schnell wieder weg.“ Die Straße sei eine tote Fläche, kein Lebensraum.

Daneben glänzen auf den Bildern goldene Pferdestatuen, Schaufensterpuppen präsentieren glitzernde Abendkleider. Orange und gelbe Sportwagen parken am Straßenrand. Es sind überzogene Statussymbole. Sie sollen zeigen, wie absurd es ist, dass sich der Verkehr noch immer auf das Auto fokussiert. „Eigentlich sind wir am Ende dieser Mobilität“, sagt Rabe. So erklärt sich auch der Ausstellungstitel: Die Gesellschaft rund um das Auto bezahle den „letzten Heller“. So gehe es nicht weiter.

Wer durch den Katalog zur Ausstellung blättert, den nimmt Rabe mit auf eine Fahrt von den Einfamilienhäusern am Stadtrand bis in die Innenstadt. Auf dem Weg werden die Häuser höher, die Farben greller. „Die Fahrt in die Stadt ist eine Fahrt ins Wahnsinnige“, sagt der Fotograf. „Eigentlich müssten alle diese Straßen dichtgemacht werden und wir müssten dort Bäume pflanzen“, sagt er angesichts der Klimakrise.

Das Gängeviertel selbst hingegen sei ein Beispiel für „Stadtplanung von unten“, sagt Patrick Giese vom Raum linksrechts. Für ihn zeigen Rabes Bilder, was nötig sei: Die Menschen müssen sich ihre Stadt selbst zurückholen.

Bis Fr, 30. 8., Hamburg, Gängeviertel, Raum linksrechts