Samba im Regen

Privatparty mit Marcelinho und Entourage. Der brasilianische Superstar Neguinho da Beja Flor spielte am Mittwoch beim „Heimatklänge“-Festival

Wenigstens der Ehrengast war gekommen. Als der brasilianische Hertha-Star Marcelinho zum Dank kurz auf die Bühne gebeten wurde und sich Arm in Arm mit dem Samba-Crooner präsentierte, da war sie zumindest für die Dauer eines Liedes perfekt: die Vermählung von Fußball und Musik, wie sie die „Heimatklänge“ in diesem Jahr als Anspruch im Titel trugen.

Schon am Nachmittag hatte der Samba-Champion aus Rio den brasilianischen Fußballstar mit den blond gefärbten Haaren auf dem Hertha-Trainingsgelände besucht, begleitet von einem Tross Pressefotografen. Am Abend herrschte dann zwar ein Wetter, bei dem man keinen Hund vor die Tür jagen würde, für Fußballer und Musiker schien das nicht zu gelten. So Marcelinho kreuzte mit seiner ganzen Entourage auf und hielt bis zum Ende durch, und mit ihm rund zweihundert Unverdrossene. Für sie hatte man eigens die Sonnenschirme, die sonst auf dem Platz stehen, vor der Bühne zusammengerückt, um wenigstens etwas Schutz vor dem Regen zu bieten. In dieser Camping-Atmosphäre kam dann aber doch eine erstaunlich ausgelassene Stimmung auf – nicht zuletzt dank der Einheizerqualitäten von Neguinho da Beja Flor. Der stämmige Sänger, unter dessen weißem Jackett eine dicke Goldkette prangte, machte einfach gute Laune zum bösen Spiel. Bald schon hatte er damit nicht nur Marcelinho und seine Freunde unter ihren Regenschirmen in Tanzlaune gebracht, deren Spielerfrauen vor der Bühne die komplizierten Samba-Dribbelschritte vorführten: Auch der Rest des Publikums geriet in Bewegung. So mutierten die „Heimatklänge“ an diesem Abend zu einer exklusiven Privatparty.

Wer es gewöhnt ist, in Brasilien vor hunderttausenden von Menschen aufzutreten wie Neguinho und seine Mannen, für den dürfte so ein Auftritt nur ein besseres Aufwärmtraining sein. Neguinho ist seit 1970 im Geschäft, seit 30 Jahren steht er Beija Flor de Nilópolis vor, einer der berühmtesten Sambaschulen Brasiliens. Dreimal in Folge haben sie zuletzt den Wettbewerb beim Karneval in Rio gewonnen, allein zu den Proben spielt Neguinhos Truppe gewöhnlich vor bis zu 10.000 Fans auf. Aber auch er selbst ist eine Institution: Fast jedes Kind in Brasilien kennt seine Lieder, er hat schon unzählige Hits gelandet. Einer seiner größten Erfolge war das Stück „O Campeao“, eine Ode an die Fußballfreunde.

Zum Finale der „Heimatklänge“ hat man sich also ein echtes Schwergewicht auf das Kulturforum geholt: Einen Meister aller Samba-Klassen, quasi den Pelé des brasilianischen Nationalgenres. Schade nur, dass das Wetter den Programmmachern einen Strich durch die Rechnung machte. Nun rächt es sich, dass man das alte Tempodrom-Zelt so leichtfertig zerschnippeln ließ. Jetzt hat man eben kein Dach über dem Kopf mehr.

Ansonsten machen die „Heimatklänge“ ja eigentlich alles richtig: Sie verfügen über eine der schönsten Open-Air-Spielstätten der Stadt, und sie bringen namhafte Stars aus dem Ausland oft zum ersten Mal nach Deutschland. Sie sind das einzige Festival, das sich traut, solche Musiker auch dann als Headliner zu präsentieren, wenn sie hierzulande noch keinen Plattenvertrag haben.

Trotzdem hat man den Eindruck, als würde das nicht so recht gewürdigt: Mit Calexico als Headliner wäre wahrscheinlich mehr mediale Aufmerksamkeit garantiert. Auch in dieser Hinsicht bedeutete der Besuch von Marcelinho eine willkommene Abwechslung: Zumindest auf die vermischten Seiten der Boulevard-Zeitungen hat es das Festival damit zum diesjährigen Abschluss nun geschafft.

DANIEL BAX

Neguinho da Beja Flor: Freitag und Samstag ab 21.30 Uhr, Sonntag ab 19 Uhr bei den „Heimatklängen“ auf dem Kulturforum am Potsdamer Platz