Editorial

Die schwarz-gelbe Koalition bemüht sich um Redundanz: „Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch“ soll nach ihrem Willen demnächst in der Verfassung stehen, wenn Kultur und deutsche Sprache dort als Staatsziele eingeschrieben werden.

Immer wieder Deutsch – da ist die Literatur und da ist auch die Kultur in diesem Land eigentlich viel weiter. Wurde doch vor noch nicht allzu ferner Zeit Kiezdeutsch und Kanak Sprak als Ausdruck der Modernisierung der deutschen Sprache und der deutschen Gesellschaft gefeiert, als kleines Zugeständnis an das Einwanderungsland gewertet und als zarte Hoffnung, die provinziell nationale Borniertheit möge endlich Vergangenheit sein in diesem Land.

In unserer Beilage jedenfalls werden Sie sehr wohl auf deutsche Zustände treffen, aber es wird Ihnen nicht erzählt, dass sie hier in Deutschland leben und dass hier Deutsch gesprochen wird, denn wir gehen davon aus, dass Sie das schon wissen.

Dafür wird Ihnen beispielsweise ein Comic vorgestellt, der die große Erzählung von 1989 auf subjektive Weise verarbeitet, ohne rituelle Pathosformeln zu benutzen. Sie werden einem israelischen Schriftsteller begegnen, der weiß, dass sich Deutschland geändert hat und es trotzdem nicht für ein Leserland wie andere hält. Sie werden einen Autor kennen lernen, der sich als literarischer Spion im Deutschland des Durchschnitts betrachtet und sich anhand von Figuren, die sich hier fremd fühlen, in die deutsche Provinz zurückträumt. Es geht um deutsche Autoren, von deren schriftstellerischer Gelassenheit sie sich überzeugen lassen sollten und die das welt- und subjektverwandelnde Potenzial von Literatur umtreibt.

Ebenfalls werden Ihnen Sachbücher präsentiert, in denen es um die deutsche Klimapolitik, die deutsche Kapitalismuskritik, um Deutsche in Afghanistan und um die deutsch-iranische Freundschaft geht. Ob Sie dies alles als Beitrag zum neuen Staatsziel begreifen oder nicht: Viel Spaß beim Lesen!

DORIS AKRAP
DIRK KNIPPHALS