das portrait
: Carlos Ortega fliegt mit seinem Team unter dem Radar

Spricht mal Spanisch, mal Deutsch, aber die Recken verstehen ihn: Handball-Trainer: Carlos OrtegaFoto: Swen Pförtner/dpa

Eigentlich hätte er fluchen oder sogar flüchten müssen. Seit seinem Amtsantritt im Sommer 2017, als Carlos Ortega Cheftrainer der TSV Hannover-Burgdorf wurde, hat er immer wieder wichtige Mitstreiter verloren. Geschäftsführer Benjamin Chatton: nicht mehr im Amt. Handball-Nationalspieler Kai Häfner: zum Li­gakonkurrenten MT Melsungen gewechselt. Unter solchen Umständen wäre es verständlich, wenn der Trainer eines Handball-Bundesligisten aufgibt oder zumindest schwächelt. Ortega aber liefert, bleibt hartnäckig und vollbringt Wunder. Anders kann man es kaum nennen. Dass Hannover-Burgdorf nach sieben Spielen mit sieben Siegen auf Tabellenplatz eins steht. Muy bien, señor!

Was bewirkt dieser Spanier, das die eigentlich spielerisch besseren Konkurrenzteams nicht hinbekommen? Ortega hat lange Zeit selbst sehr erfolgreich gespielt – beim FC Barcelona und in der spanischen Nationalmannschaft. Als Trainer genießt er den Ruf, alle taktischen Finessen des Handballs zu kennen und vermitteln zu können. Man hört auf ihn. Man glaubt an das, was er vorgibt. Für einen kleineren Verein der Bundesliga wird dank dieses Trainers Großes möglich. So haben rund 7.000 Zuschauer zuletzt in der TUI-Arena in Hannover gestaunt, wie die heimische Mannschaft den amtierenden Meister SG Flensburg-Handewitt entzauberte.

Ortegas Ansprachen an die Mannschaft sind unverwechselbar: Er spricht einen herrlichen Mischmasch aus Deutsch, Spanisch und undefinierbaren Anweisungen. Seine Mannschaft versteht den 48-Jährigen trotzdem. Unter der Regie von Ortega gewinnt selten ein Einzelner, sondern fast immer das Kollektiv. „Jetzt soll doch erst einmal einer kommen, der uns schlägt“, sagt Kapitän Fabian Böhm. So klingt ein Team, das dem Chef vertraut.

Aber warum eigentlich ist ein Könner wie Ortega überhaupt nach Hannover gewechselt? Weil seine Karriere als Trainer in kleinen Schritten verläuft. Erst ein Spitzenklub in Ungarn, dann eine Zwischenstation in Dänemark, und nun sucht er seine Chance in Deutschland. Ortega folgt einem Plan. Die TSV Hannover-Burgdorf, einst ein Dorfverein und heute eine feste Größe im Profisport, verfügt bis auf den dänischen Spielmacher Morten Olsen über keinen echten Star. Was auf den ersten Blick nicht gut klingt, ist in Wirklichkeit eine riesige Chance. Ortega fliegt mit seiner Art und seinem Team unter dem Radar. In dieser Saison den Meistertitel nach Hannover zu holen, wäre der Gipfel der Untertreibung. Christian Otto