„Kurzlebige Blendkerzen“

KULTURKRITIK Event-Explosion bedroht Hamburgs Vorzüge, sagt der Musiker Schorsch Kamerun

Der Musiker und Theatermacher Schorsch Kamerun hat die „explodierende Eventveranstaltungskultur“ in Hamburg massiv kritisiert. Diese starke, raue Stadt „verkaspere sich selbst und ihre unterforderten Bürger in braven Schauspektakeln“, sagte der Sänger der Punkband Die Goldenen Zitronen der Nachrichtenagentur dapd.

Fixiert auf den Hafen

Hamburg verknüpfe seine Zukunftsperspektive zu eng mit dem Hafen. Deshalb entstünden dort auch Leuchtturmprojekte wie die Elbphilharmonie und die Hafencity. „Außerdem fackeln hier die repräsentativen Riesenveranstaltungen in immer dichterer Frequenz.“

Die Stadt verschenke ihre markanten Vorzüge durch „biederste Kreuzfahrtwerbespektakel an Hunderttausende Kurztripgaffer“. So werde jedes Wochenende aufs neue Platz gemacht „für gröbste Biermarkensauffeste, Schlagermusikaufmärsche, Citywettrennen, Motorenkämpfe“ und alles, „was sich unter Getöse durch den Hafen pressen“ lasse.

Kamerun kritisierte, dass „mitten im erschöpften St. Pauli“ mit dem sogenannten Entertainmenthaus ein kompletter Theaterproduktionskomplex entstehe, in dem keine Bühnenprogramme für die Bewohner einstudiert würden, „sondern exklusiv für die fortschwimmenden „Aida“-Schiffspaläste“ produziert werde. Im Stadtteil betreibt Kamerun den „Golden Pudel Club“ mit.

Langfristig würden solche Projekte Hamburg schaden, weil selbst die Reisebuskarawanen nur vorbeizögen, „wo es echt was zu sehen gibt“, sagte Kamerun. Wenn Hamburg so weitermache, verscherbele es „mit all diesen kurzlebigen Blendkerzen seine weitreichende Eigenständigkeit“.

„Ich bin als 18-Jähriger nach Hamburg gegangen, weil man es da, wo ich herkomme, nicht aushält“, sagte Kamerun, der 1963 im schleswig-holsteinischen Timmendorfer Strand geboren wurde. Hamburg sei „weiterhin eine sehr lebenswerte Stadt mit einem breiten urbanen Spektrum und wacher Gegenkultur“. Aber vieles gehe ihm inzwischen „massiv auf den Zeiger“. (dapd)