Deutsch lernen vom Sprachabschneider

Schüler büffeln in den Ferien, ihre Lehrer ziehen nach. Deutsch als Zweitsprache soll an Bremer Schulen Standard werden

bremen taz ■ Grammatik pauken statt Urlaub machen? Kein schlechter Tausch für einige Bremer Grundschüler. Zum zweiten Mal lernen in diesem Jahr 150 Kinder mit Migrationshintergrund aus 25 Grundschulen die deutsche Sprache. Die Lehrer stehen ihren Schülern in nichts nach. Auch sie bekommen Nachhilfe: im Fach Deutsch als Zweitsprache.

Die Entwicklung von Sommercamp und Lehrerfortbildung hat das Goethe-Institut übernommen. „Sprachvermittlung müsste Bestandteil der Grundschullehrerausbildung sein“, fordert Sabine Langhorst, Leiterin des Goethe-Instituts. Ob Deutsch oder Mathe, in allen Fächern sollten Lehrer ihren Schülern Sprachverständnis vermitteln.

Viele Kinder haben Nachhilfebedarf, um in der Schule folgen zu können. In Feriencamps versuchen Pädagogen, ihnen Grammatik spielerisch beizubringen. Die Motivation im Camp sei hoch, sagt Lehrerin Silke Rohlfs, die selbst Deutsch als Zweitsprache studiert und Türkisch gelernt hat. Der direkte Sprachvergleich sensibilisiere für die Probleme der Schüler.

Etwa 40 Prozent der Bremer Grundschüler haben einen Migrationshintergrund. Dazu zählen Kinder, deren Großeltern oder Eltern nicht aus Deutschland stammen. Viele Kinder sprechen nur in der Schule Deutsch und haben Sprachprobleme.

Die Kinder in den Camps kommen aus der Türkei, der Ukraine oder Vietnam. Sie üben Gedichte und proben Theaterszenen. Zur Erholung spielen sie Fußball oder gehen auf Schnitzeljagd. Ihren Unterricht begleitet der „Sprachabschneider“ – ein Lehrbuch mit Geschichten eines Schülers, der einen folgenschweren Handel mit Artikeln und Präpositionen eingeht. Um keine Hausaufgaben machen zu müssen, tauscht er Teile seiner Sprache. Anstatt „Ich sitze auf dem Stuhl“ sagt er bald nur noch „Ich sitzen Stuhl“. „Welche Folgen das hat, können die Kinder nachvollziehen“, so Rohlfs.

Den Erfolg der Bildungsmühen bestätigt eine wissenschaftliche Auswertung der Sommercamps 2004: Die grammatikalischen Fähigkeiten der Kinder nähmen kurzfristig zu, die Lesekompetenz steige langfristig. Zudem bescheinigt die PISA-Studie Fortschritte in der Schülerausbildung: Neben mathematischen und naturwissenschaftlichen Fähigkeiten sei auch die Lese-Kompetenz größer geworden. Mobilisiert durch die Zahlen behält Bildungssenator Willi Lemke (SPD) das Ferienprojekt bei. 180.000 Euro jährlich kostet, was der Schulunterricht nicht leistet.

Nun steigt die Frage nach Weiterbildung bei den Lehrern. 24 Pädagogen beteiligten sich im abgelaufenen Schuljahr am 40.000 Euro teuren Landesprojekt. Der Lehrgang für das neue Schuljahr ist in Planung. Laut Bildungsbehörde soll eine solche Sprachförderung Standard, entsprechend auch die Lehrerfortbildung fortgesetzt werden. Doch wegen der klammen Finanzen mögen die Mitarbeiter des Goethe-Instituts daran noch nicht so recht glauben.

saskia richter