Deutschland teilt sich weiter und weiter

IAB-Forscher: Beschäftigung im Osten sinkt bis 2020 um eine Million Stellen. Rückgang der Bevölkerung durch Alterung gleicht Stellenverluste aber teilweise aus. Nach 2020 dürften die Firmen sogar Probleme haben, geeignete Leute zu finden

VON BARBARA DRIBBUSCH

Prosperierende Städte in Westdeutschland, verödete Landstriche im Osten der Republik: dieses oft beschworene Zukunftsszenario wird wahrscheinlicher. Eine Projektionsstudie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ergibt, dass die Zahl der Jobs im Osten bis zum Jahre 2020 um eine Millionen Stellen abnimmt. Im Westen dagegen steigt in diesem Zeitraum die Zahl der Erwerbstätigen um 2,3 Millionen kräftig.

In der neuen Projektion sind „die Beschäftigungsaussichten für die neuen Bundesländer noch schlechter als vor drei Jahren angenommen“, heißt es im IAB-Kurzbericht, in dem die Ergebnisse veröffentlicht wurden.

Für die schlechte Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt im Osten sind zwei Faktoren verantwortlich: Einmal wächst das reale Bruttoinlandsprodukt in den neuen Bundesländern im Projektionszeitraum schwächer als im Westen – die Forscher kamen auf eine Rate von nur einem Prozent pro Jahr. Zum zweiten aber steigt die Produktivität der Erwerbstätigen im Osten prozentual stärker als im Westen. Innovationen und der verbesserte Einsatz von Maschinen führen jedoch nicht zu einem höheren Bedarf an Arbeitskräften.

In den alten Bundesländern hingegen sorgt vor allem der wachsende Dienstleistungssektor für neue Jobs. In den nächsten 15 Jahren wird es in den unternehmensbezogenen Dienstleistungen in der IT-Branche, aber auch in der Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung, in Ingenieurbüros und Werbeagenturen mehr als zwei Millionen neue Jobs geben, errechneten die Forscher. Die Stellenzahl im verarbeitenden Gewerbe, auch in der Bauwirtschaft, im Handel, im öffentlichen Dienst und in der Landwirtschaft hingegen schrumpft.

Der demografisch bedingte Bevölkerungsrückgang fängt im Osten allerdings viel von den Stellenverlusten auf: Nach einem weiteren, jetzt veröffentlichten IAB-Kurzbericht sinkt die Zahl der Deutschen im Erwerbsalter in den neuen Bundesländern zwischen 2004 und 2020 um 1,8 Millionen. Deswegen sorgt die demografische Entwicklung in den nächsten Jahren auf dem Arbeitsmarkt „für etwas Entspannung“, erklärte der IAB-Forscher Johann Fuchs im Gespräch mit der taz. In den alten Bundesländern geht die Zahl der Deutschen im Erwerbsalter im gleichen Zeitraum um 2,5 Millionen zurück – Migranten sind in diesen Zahlen nicht berücksichtigt.

Der Bevölkerungsrückgang beschleunigt sich noch einmal bis zum Jahre 2050, ergab die Hochrechnung. Im Westen nimmt die Zahl der deutschen Erwerbspersonen im Vergleich zu heute um insgesamt 11,7 Millionen, also um etwa ein Drittel, ab. Im Osten sinkt die Zahl der Deutschen im Erwerbsalter in diesem Zeitraum auf 3,6 Millionen und wird sich damit im Vergleich zu heute mehr als halbieren. Firmen dürften dann Probleme haben, geeignete Arbeitskräfte zu finden, so Fuchs. Im längeren Zeitverlauf entwickele sich der demografische Rückgang „dramatisch“.