Üben für den Abzug

Auch die palästinensischen Sicherheitskräfte bereiten sich auf den bevorstehenden israelischen Rückzug aus dem Gaza-Streifen vor

AUS GAZA SUSANNE KNAUL

„Rafi Dahan – Likud, Petach Tikwa“ steht in hebräischen Buchstaben auf dem knallig gelben T-Shirt eines Sporttrainers, der damit unter den grün uniformierten Kameraden deutlich aus der Reihe fällt. Zwischen 8.00 und 14.00 Uhr, so der offizielle Ausbildungsplan, treibt er die palästinensischen Rekruten über das sandige Fußballfeld, durch brennende Reifen oder zum Dauerlauf den Mittelmeerstrand entlang, der nur wenige hundert Meter entfernt liegt. Die gnadenlose Augusthitze verkürzt indes das Trainingsprogramm der palästinensischen Nationalen Polizei. Erschöpft liegen die Männer schon in den frühen Mittagsstunden unter Schatten spendenden Zeltplanen.

Camp-Kommandant Eiman Zugra ist guter Dinge. „Wir sind auf den Abzug vorbereitet“, sagt er im Hinblick auf den israelischen Rückzug aus dem Gaza-Streifen, der kommende Woche beginnen soll. Damit ist das Interview schon beendet. Zwei seiner Männer unterbinden, offenbar aus Sorge vor der Enthüllung geheimer Informationen, das Gespräch mit einer Gruppe neugieriger Rekruten. Seit zweieinhalb Monaten werden in dem provisorischen Zelt-Camp im Stadtzentrum Gazas gut 1.000 Männer auf den Abzug vorbereitet. Insgesamt sollen, nach Auskunft des palästinensischen Innenministeriums, 20.000 Sicherheitsleute im Einsatz sein.

„Für mich ist das hier ein Job wie jeder andere“, sagt ein Rekrut, der bereits in den späten 90er-Jahren Mitglied des militärischen Nachrichtendienstes war, dann aber seine Uniform an den Nagel hängte, um Sprachen zu studieren. „Ich habe Semesterferien“, erklärt er. Ganze 1.000 Schekel (230 Euro) verdient er pro Monat:„Besser als nichts.“

Aufgabe der Rekruten ist es, Zwischenfälle in der Umgebung der zu räumenden Siedlungen zu verhindern und Raketenbeschuss auf israelisches Gebiet zu unterbinden. Ein Abzug „unter Feuer“, wie ihn der scheidende israelische Finanzminister Benjamin Netanjahu voraussieht, könnte fatale Folgen haben. Neben den jüdischen Siedlern, die die Räumung verweigern, würde sich für die israelischen Sicherheitskräfte eine weitere Front auftun.

Dass der vom Volk sehnlich verlangte Abzug Israels aus dem Gazastreifen von Palästinensern selbst vereitelt wird, ist eine realistische Variante. Seit der Plan der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, kündigte die Hamas an, ihren Kampf bis zur endgültigen „Vertreibung der Juden“ fortzusetzen.

„Auf wen sollten wir denn schießen, vielleicht auf unsere eigenen Leute?“, meint ein Ausbilder der Nationalen Polizei auf die Frage, wie sich die Rekruten auf den Abzug vorbereiten, solange keine Waffen zur Verfügung stehen. „Es wird nicht zu Zwischenfällen kommen“, sagt er selbstbewusst. Ein junger Soldat fügt mit konspirativem Lächeln hinzu, es gäbe ein Geheimabkommen, dass die Oppositionsgruppen den Abzug nicht behindern werden. Sollte es doch einen Querulanten geben, der seine Kassam-Rakete in Position bringt, „werden wir ihn auf friedlichem Weg davon abzubringen versuchen“, so der Ausbilder.

Das personell größte Aufgebot stellt die Nationale Polizei, doch „es sind sämtliche Sicherheitsabteilungen beteiligt“, meint Taufik Abu Khousa, Sprecher des palästinensischen Innenministeriums. Die Rekruten durchliefen eine „völlig normale Grundausbildung“. Der demonstrativ gelangweilte Ministeriumssprecher antwortet kurz, während er in seinem vollklimatisierten und technisch hochmodernen Büro in eine Falafel-Pita beißt. Abu Khousa zürnt der israelischen Regierung, die ihn „blockiert“, weil sie die Lieferung von Waffen und Fahrzeugen verhindert.

Tatsächlich hatte der russische Präsident Wladimir Putin Unterstützung in Aussicht gestellt und selbst die USA forderten eine Bewaffnung der palästinensischen Sicherheitskräfte, damit sie vor allem nach dem Abzug die Situation im Gaza-Streifen unter Kontrolle bringen. Dass das zunächst entstehende Vakuum von der Hamas gefüllt werden könnte, ist auch in Jerusalem wiederkehrendes Gesprächsthema. Trotzdem weigert sich Israel, Waffen in den Gaza-Streifen zu schicken. Die palästinensischen Polizisten sollten, so verlautet aus dem Büro des Premierministers, zuerst einmal „die Waffen der Terroristen einsammeln“.