Unpolitische Randale

SCHANZENFEST Nach einer friedlichen Feier im Hamburger Szeneviertel wurden Autonome von Vermummten angegriffen. Zwei Männer wurden niedergestochen und Brände gelegt

„Das war ein Mordversuch“

AKTIVISTEN DER „ROTEN FLORA“ IN HAMBURG

AUS HAMBURG KAI VON APPEN
, BASTIAN RENNER
, ANDREAS SPEIT

Beim Hamburger Schanzenfest kam es am Samstagabend zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Allerdings nicht zwischen Autonomen und Polizei, sondern zwischen verschiedenen Festbesuchern. Zwei Menschen wurden dabei verletzt.

Alles hatte friedlich begonnen. Am Nachmittag besuchten etwa 10.000 Gäste das Fest im Szeneviertel, schlenderten über den Flohmarkt oder hörten den Konzerten zu. Nachdem die Bühne vor dem linksalternativen Kulturzentrum „Rote Flora“ abgebaut war, zogen erste Vermummte durch die Menge und zündeten Bengalos und Silvesterknaller. „Verpisst euch hier“, riefen ihnen einige der Festbesucher entgegen. „Halt’s Maul, Yuppie-Wichser“, konterten die Angreifer. AktivistInnen der „Roten Flora“ wurden als „Scheiß-Antifa-Fotzen“ beschimpft.

Gegen halb zwölf in der Nacht begannen schwarz gekleidete Vermummte – vor allem junge Männer und ältere Frauen – Feuer auf der Straße vor der „Roten Flora“ zu legen. Sie versuchten zudem einen Baum anzuzünden. „Die hatten so viel Hass im Gesicht, das waren keine Linken“, mutmaßt eine Anwohnerin, die die Zündelei verhindern wollte.

Bei den Löschversuchen wurde ein 29-Jähriger niedergestochen. „Viermal stach der Täter in seinen Brustkorb“, sagt ein Aktivist der „Flora“, der sich um den Betroffen kümmerte. Die Zündler verteidigten ihr Feuer mit purer Gewalt: Faustschläge, Tritte, Drohgebärden mit Metallstangen. Ein weiterer Mann, 27, der einen Streit schlichten wollte, wurde ebenfalls niedergestochen. Er wurde nur leicht verletzt.

Der Mob skandierte dazu Parolen wie „ganz Hamburg hasst die Polizei“. Die Polizei hatte sich den Abend über nur am Rand des Schanzenfestes gezeigt und nicht in das Geschehen eingegriffen.

Die beiden Niedergestochenen wurden in der „Roten Flora“ erstversorgt und später ins Krankenhaus gebracht. In der Nacht musste der 29-Jährige notoperiert werden. Die Aktivisten sprachen von einem „Mordversuch“.

Aus dem besetzten Haus heraus forderten die Aktivisten die Festbesucher auf, nach Hause zu gehen. „Was hier passiert, hat nichts mit linker Politik zu tun“, teilten sie über Megafon mit. „Das ist nicht das, was das Schanzenfest sein soll.“ Sie kritisierten aber auch die Besucher. Manche feierten weiter, obwohl zwei Menschen schwer verletzt im Krankenhaus lagen.

Kurz vor zwei Uhr hatten die „Flora“-Aktivisten ein letztes Feuer direkt vor dem Zentrum gelöscht. Die Polizei rückte dennoch unvermittelt mit Wasserwerfern und Einsatzkräften vor. Der Grund: Randalierer hatten Flaschen auf eine nahe gelegene Filiale der Hamburger Sparkasse geworfen. Binnen weniger Minuten hatten hunderte Polizisten mit Wasserwerfereinsatz die Straße vor der „Roten Flora“ geräumt. Auch die restlichen Straßen der Schanze, in denen noch Hunderte friedlich feierten, waren in kürzester Zeit geräumt.

Der Kriminaldauerdienst hat wegen der Messerangriffe Ermittlungen aufgenommen, sagte eine Pressesprecherin der Polizei. Sechs Störer hätten die Beamten festgenommen. Die Polizei war mit 1.566 Beamten im Einsatz.