Der Tempomacher

Bei der 2:1-Niederlage in Dortmund hat Werder Bremen sogar den ARD-Experten Mehmed Scholl überrascht. Vor dem Spiel hatte er noch Mitleid mit Werder, nachher war er entzückt. Da scheint doch kurzfristig aus der Asche einer behäbigen Durchschnittsmannschaft tatsächlich ein leichtfüßiges, spielstarkes Topteam auferstanden zu sein.

Unter den frischen Kräften, die die alte Garde um Wiese, Naldo, Borowski und Pizarro abgelöst haben, fiel der 21-jährige belgische Nationalspieler Kevin de Bruyne auf. Die Stimme des Kommentators überschlug sich fast, als jener aus dem Fußgelenk einen zentimetergenauen Pass über 50 Meter spielte. Dem De Morgen ist diese Fähigkeit bereits vor einiger Zeit aufgefallen: „Kevin De Bruyne kann man mit einem Hightech-U-Boot vergleichen: Er registriert blitzschnell alle Positionen und dann schickt er seine Torpedos auf die Reise – haarscharfe Pässe, die perfekt die Mitspieler erreichen.“

Selten ist ein Spieler, den hierzulande nur Experten kannten, mit so vielen Vorschusslorbeeren empfangen worden. „Kevin ist genau der Spieler, der uns noch gefehlt hat. Er passt hervorragend zu Werder, ist sehr aktiv und bringt seine Ideen ein“, schwärmte Thomas Schaaf schon vor der ersten Trainingseinheit. Und seit er mit ihm auf dem Übungsgelände steht, scheint der in den letzten Jahren zunehmend grummelnde Trainer wieder lächeln zu können.

De Bruyne kam mit 14 Jahren zum Erstligisten KRC Genk, wo er bereits mit 17 in der ersten belgischen Liga debütierte. Dort fiel er bald den Scouts europäischer Top-Klubs auf und wäre wohl schon früher weg gewesen, wenn er im Herbst 2010 nicht das Pfeiffersche Drüsenfieber bekommen hätte. So verpflichtete der FC Chelsea ihn Ende 2011 für acht Millionen Euro bis 2017, parkte ihn zunächst aber weiter in Gent und nun für ein Jahr in Bremen.

Mit ihm hat Werder zumindest in dieser Saison einen Offensiv-Allrounder aus der Reus-Schürrle-Götze-Liga. Zusammen mit dem HSVer Eljero Elia soll er das Tempo machen, das in den letzten Jahren fehlte. Dass die Medien eine gewisse Ähnlichkeit mit Prinz Harry ausmachen, beleidigt seinen Charakter allerdings zutiefst. Glaubt man der belgischen Presse, sind ihm peinliches Protzen und Posen genauso fremd wie dumme Witze.

Dass er dennoch mit einem gesunden Selbstbewusstsein ausgestattet ist, zeigt nicht nur seine fordernde Spielweise, sondern auch seine Vorliebe für die 14 auf dem Trikot, die Nummer des großen Johan Cruyff. Die besetzt bei Werder allerdings Aaron Hunt – und der machte an der Seite de Bruynes gegen Dortmund das beste Spiel seit langem. So etwas nennt man wohl ein belebendes Element.  RLO