So wild und frei wie Schreiner ist keiner

Bundestags-Linker soll Saar-SPD vor Lafontaine retten. Ein alkoholseliger Landesparteitag gefährdet den Plan

FRANKFURT/MAIN taz ■ Ottmar Schreiner (61) wird von vielen im Saarland als „letzter Linker“ in der Bundestagsfraktion der SPD fast wie ein Heiliger verehrt. „Einer wie Schreiner!“ So lautet selbstbewusst das Motto der Partei dort. Als Listenführer soll Schreiner der SPD bei den Bundestagswahlen wenigstens den zweiten Platz an der Saar sichern: Hinter der CDU zwar – aber noch vor der mit 20 Umfragepunkten dicht aufgerückten „Linkspartei“.

Weil aber einer wie Schreiner an einem Tag gleich zweimal über die Stränge schlug, könnte es sein, dass die Rechnung der Genossen doch nicht aufgeht – und die „Linkspartei“ mit dem Direktkandidaten Oskar Lafontaine (Saarbrücken) an der Saar triumphiert. Der „Geisterfahrer“ Ottmar Schreiner nämlich wollte auf dem Landesparteitag der SPD Mitte Juli ziemlich angetrunken bei Saarlouis auf die Autobahn fahren, erwischte aber die falsche Auffahrt. Die Polizei verhinderte Schlimmeres und nahm Schreiner den Führerschein ab.

Das Ergebnis der Blutprobe liege aber noch nicht vor, sagte Schreiner gestern der taz. Falls im Blut des Sozialdemokraten mehr als 1,1 Promille Alkohol nachgewiesen werden, hat die Staatsanwaltschaft in Saarbrücken schon angekündigt, beim Bundestagspräsidenten die Aufhebung der Immunität von Schreiner zu beantragen und Anklage erheben zu wollen.

Doch damit noch nicht genug. Auf dem Parteitag hatte Schreiner zuvor in „freier Rede“, so Schreiner, den Bundesparteivorsitzenden der FDP, Guido Westerwelle, als „Schwesterwelle“ bezeichnet – und damit einen Sturm der Entrüstung bei den Interessenvertretungen von Schwulen und Lesben ausgelöst. Einzig die Landesvorsitzende der Schwulen und Lesben in der saarländischen SPD, Sabine Maurer, hielt zu Schreiner.

Westerwelle sei selbst schuld, wenn er wegen seiner Homosexualität diskriminiert werde, sagte Maurer. Schließlich habe er sich „bei Frau Merkel“ für die Ablehnung des rot-grünen Antidiskriminierungsgesetzes bedankt und sich noch dazu nie eindeutig als schwul „geoutet“. Das wiederum brachte die FDP an der Saar in Harnisch, die den SPD-Landesvorsitzenden Heiko Maas bislang vergeblich aufforderte, sich von Mauer und Schreiner zu distanzieren.

Schreiner sagte der taz, dass er niemanden habe diskriminieren wollen. Schließlich habe er sich sein ganzes Leben lang für Minderheiten eingesetzt. „Westerwelle – Schwesterwelle!“ Das sei doch nur ein „Wortspiel“ gewesen, das offenbar dennoch „von vielen als diskriminierend empfunden“ worden sei. Deshalb habe er sich jetzt auch in einem Brief an Westerwelle und auch beim Dachverband der Lesben und Schwulen in Deutschland (LSVD) entschuldigt.

Beim LSVD ist diese Entschuldigung inzwischen angekommen und auch „akzeptiert“ worden, wie dessen Sprecher Alexander Zinn dazu gestern anmerkte. Die Äußerungen selbst seien allerdings „weiter inakzeptabel“. Auch bei der WASG habe der Verband im Zusammenhang mit einem Spottlied auf Westerwelle schon „schwulenfeindliche Tendenzen“ moniert. Man müsse eben „wachsam bleiben“.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT