Fliegender Richterwechsel

Nicht gegendarstellungsfähig (XIV): Eisenbergs juristische Betrachtungen. Heute: Eine Bankgesellschaft vor Gericht

Stellen wir uns einfach mal vor, eine außerparlamentarische, „zivilgesellschaftliche“ Bewegung demonstriert nachhaltig und wehrt sich gegen Demonstrationsverbote mit passiven Widerstandsaktionen, die als Landfriedensbruch kriminalisiert werden. Beim zuständigen Landgericht werden, weil es das Gesetz so vorsieht, Spezialkammern gebildet, die für Aufruhrdelikte zuständig sind.

Ein großes Verfahren gegen „Rädelsführer“ endet nach einer vieltägigen Hauptverhandlung gegen den entschiedenen Widerstand der Staatsanwaltschaft mit einem Freispruch. Beteiligt ist der Vorsitzende Richter A.

Die Staatsanwaltschaft, die ein neues umfangreiches Verfahren gegen „Rädelsführer“ vergleichbarer Aktionen plant, sieht voraus, dass auch dieses nach dem geltenden Geschäftsverteilungsplan vor Richter A. gelangt.

Sie teilt – vor Erhebung der Anklage – dem Landgerichtspräsident mit, dass sie darüber hinaus noch weitere Anklagen plant, die auch zu Richter A. gelangen werden, und dass sie für diese Verfahren mindestens 100 Hauptverhandlungstage erwartet. Der Landgerichtspräsident sieht – erwartungsgemäß – eine Überlastung von Richter A. voraus. Er hört dazu nicht bei den am Verfahren beteiligten Verteidigern, ob und wie lange nach deren Erwartung die angekündigten Anklagen verhandelt werden müssen. Er erkundigt sich bei verschiedenen Richtern am Landgericht, ob sie sich in der Lage sähen, die Anklagen im Falle einer entsprechenden Änderung des Geschäftsverteilungsplans zu verhandeln. Richter B. – ein junger, scharfer, hungriger – erklärt sich dazu bereit. Daraufhin ändert das Gericht außerplanmäßig „allgemein“ die Geschäftsverteilung und weist Richter B. „allgemein“ die Zuständigkeit für solche Aufruhranklagen zu, die die Staatsanwaltschaft anzuklagen angekündigt hat.

Später stellt sich heraus, dass die von der Staatsanwaltschaft prognostizierten Verhandlungstage gar nicht benötigt werden: Eine der angekündigten Anklagen muss gar nicht verhandelt werden, da sie keine Straftat zum Gegenstand hat, sondern Unschuldige verfolgt.

Andere angekündigten Anklagen wurden gar nicht erhoben. Der ursprünglich zuständig gewesene Richter A. wäre nicht überlastet, er könnte also die Anklage gegen die „Rädelsführer“ prima verhandeln. Doch das Verfahren bleibt bei Richter B., weil es der Geschäftsverteilungsplan nun „allgemein“ so vorsieht.

Als später die Verteidiger der „Rädelsführer“ rügen, es sei in manipulativer Weise die Zuständigkeit des Richters B. begründet worden, zeigen sich Staatsanwaltschaft und Gerichtspräsidium erstaunt: Solche Vorabmitteilungen über absehbare Belastungen seien doch üblich.

Was das Beispiel soll? Illustrieren, wie es derzeit beim Prozess gegen die Berliner Bankgesellschaft so zugeht.

Jony Eisenberg ist Strafverteidiger und Presseanwalt in Berlin