MARLENE SØRENSEN LUSTOBJEKTE
: Mitbringsel als Last

Im Urlaub Kaftane, Hüte und pinkfarbene Laufschuhe gekauft? Machen Sie was draus!

Ich war gerade für eine Woche in Kopenhagen. Wie immer, wenn ich im Sommer dort bin, habe ich am Kongens Nytorv einen Hotdog gegessen, das Tivoli besucht und mich mit einem Dosenbier auf die Kaimauer in Nyhavn gesetzt, alles Dinge, von denen meine dänischen Freunde kopfschüttelnd meinten, das würden nur Touristen machen.

Als sie mich dann in eine neue angesagte Bar ausführten, erklärte ich ihnen, dass ich all diese Dinge eben nicht jeden Tag erleben kann und ich dafür gern Touristin bin. Außerdem erinnerten sie mich an die Sommer, die ich als Teenager in Kopenhagen verbracht habe. Die allerbesten Sommer waren das. Bevor ich richtig nostalgisch werden konnte, boten sie mir an, in Zukunft Versorgungspakete mit Salzlakritz nach Berlin zu schicken. Hab doch längst einen Kilokarton gekauft, sagte ich. Und dann tranken wir zu viel Schnaps, typisch dänisch.

Ich habe noch etwas anderes von dieser Reise mitgebracht: neonpinkfarbene Turnschuhe. Die sind schwerer zu erklären als Salzlakritz, da meine Lieblingsfarbe Schwarz ist und ich Laufschuhe in etwa so oft trage, wie ich joggen gehe, also: nie. Trotzdem musste ich sie haben. Denn bei meinem Spaziergang um die Kopenhagener Seen – noch ein Ritual – liefen in solchen Schuhen ganz entspannte und irritierend gleichmäßig gebräunte Däninnen an mir vorbei. Ich war beeindruckt. Und hatte plötzlich die Idee, dass ich zu Hause auch mit dem Laufen anfangen könnte. Wenn man dabei so gut aussieht, warum nicht?

Woran ich in dem Moment nicht dachte, waren die anderen Mitbringsel, die ich auf anderen Reisen für eine hervorragende Idee gehalten hatte. Den Kaftan auf Ibiza, den Cowboyhut aus Colorado. Denn, hey, vielleicht steckte in mir ja ein lässiges Hippiemädchen. Oder eine Rodeoreiterin.

Zu Hause habe ich von dem Zeug nie wieder etwas getragen. Es ist fehl am Platz, passt nicht zu mir, wirkt verkleidet. Warum kann ich ihm trotzdem nicht widerstehen? Im Urlaub fällt die Vorstellung leicht, eine andere sein zu können – nein, eher: die Optimalversion meiner selbst. Sportlicher, glamouröser, entspannter, als es mir im Alltag angesichts der nächsten Umsatzsteuervoranmeldung möglich erscheint. Ein „Was wäre, wenn?“ statt des „Was ist?“. Vor lauter Möglichkeiten kann es da passieren, dass ich mit einem Cowboyhut nach Hause komme.

Dort liegt er dann. Ein Andenken daran, dass ich zu Hause doch bald wieder die Gleiche bin. Meist finde ich das gar nicht schlimm, ich komme gern an den Ort zurück, von dem aus ich verreise. Und vielleicht ist es sogar nötig, dass ich an diesem Ort ein paar uneingelöste Versprechen aufbewahre. Versprechen wie den Sommer damals in Kopenhagen, als ich 16 war und ein Dosenbier in Nyhavn das Größte war und ich keine Vorstellung davon hatte, wie mein Leben mit 33 sein würde. Weil 33 unvorstellbar war. Dieses Gefühl, das noch alles offen ist – es hilft. Vor allem wenn die nächste Umsatzsteuervoranmeldung anliegt.

Die Schuhe stehen jetzt neben meinem Schreibtisch. Vielleicht fange ich ja doch mit dem Joggen an. Andererseits: In Kopenhagen haben viele Frauen sie auch abends in den Bars getragen. Ausgehen in Laufschuhen? Wäre wirklich mal was anderes.

Die Autorin ist Journalistin und Fashion-Bloggerin Foto: privat