Schönheit der Abgase

Deutschland (14) – die wöchentliche Kolumne aus der Republik von Henning Kober. Heute: Von der Dekadenz

Nie scheint die Sonne, immer aber ist es warm in Bangkok. Morgendämmer, steh in Unterhosen von Sloggi auf dem Balkon, 28. Stock Boss-Tower. So sieht’s aus: Weiter Wucher, erster Stau auf der über Wellblechhütten gebauten Schnellstraße. Im Nebel die Gerippe unsymmetrisch abgestellter Hochhäuser. Lieb getrunken, tanz einen Schritt zu Prince.

Angenehmst ist hier die Ferne und: Der Ort zerstört den Zombie Zeit. Die, den Körper zerstören wollte, ist bedeutungslos. Wach, wenn’s geht, zu allen Zeiten. Kaum draußen, die ganze Woche. Kann sich alles liefern lassen. Gelesen, geschrieben, nachgedacht und gebetet. Alles ist schrecklich gesund, der Reis, Diät-Coke, weniger als eine Kalorie. „Get Skintight“, singen die Donnas.

Dann wird das Internet geliefert, und Deutschland schleicht sich rein. Verzweifelt im Sommerloch die Nachrichten, aber ist es nicht immer so?

Auf CNN schnippelt ein Astronaut mit Fugenkleber zwischen den schwarzen Kacheln rum. Trotzig wehrt sich die Zeit im Jetzt gegen den Fortschritt.

Dann bin ich zum ersten Mal draußen, also weiter wie „Au Bon Pain“ im Esso-Tower gegenüber. Gezogen von der Dunkelheit meine Straße Rama IV runter, bis die sich mit Ratchadaphisek kreuzt. Steh auf der Fußgängerbrücke oben, schau auf die Fahrbahnen, die Autos rasen über zwanzig Spuren. Das Atmen ist schwer, Schönheit der Abgase. Weiter, wo’s dichter wird, sieht man den Himmel nicht mehr. Straßen auf drei Ebenen, darüber die Betonröhre des Sky Trains, darüber Häuser in den Himmel. „N.Y. Style“, wirbt die Wand. Im „California Fitness“ rennen die Menschen gegen Maschinen. Bangkok ist die Kapitale des Cyberpunk.

Spiele hinter der philippinischen Botschaft mit Hunden, dann renne vor ihnen. Ein Taxi sucht den Weg zurück zu meinem Turm. Im Netz: Die tote Kinder von Frankfurt Oder. Im Bertelsmann-Palast zu Berlin feiern sie derweil eine Sperma-Party.

Es ist schön, so außerhalb der Zeit zu sein.