Böses Blut

Trotz knapper Blutreserven werden Schwule und Transsexuelle von Blutspenden immer noch weitgehend ausgeschlossen. Niedersachsens FDP will das ändern – wieder mal

Blutspenden gehen vielerorts zur Neige. Schwule Spender werden trotzdem diskriminiert Foto: Sonja Marzoner/dpa

Von Nadine Conti

Niedersachsens FDP will die Diskriminierung von Schwulen und Transsexuellen bei Blutspenden beenden. Im Landtag wollen die Liberalen am heutigen Mittwoch beantragen, dass die Landesregierung per Bundesratsinitiative auf eine entsprechende Änderung des Transfusionsgesetzes hinwirkt und parallel bei der Bundesärztekammer auf eine Änderung der „Richtlinie Hämotherapie“. Die anderen Fraktionen haben Zustimmung signalisiert, von der AfD einmal abgesehen.

Dasselbe hatte die FDP 2014 schon einmal getan. Im Landtag stimmte damals eine breite Mehrheit dafür, die bestehende Diskriminierung zu beseitigen. Als die Bundesärztekammer 2017 mit der überarbeiteten Fassung der Blutspende-Richtlinie­ herausrückte, hielten manche das für einen Fortschritt. Bis dahin waren Homosexuelle­ grundsätzlich von der Blutspende ausgeschlossen. Jetzt sind sie das nur noch, wenn sie sexuell aktiv sind. Wer zwölf Monate­ abstinent bleibt, darf auch als Schwuler Blut spenden. Ein Hohn, eine Mogelpackung, fanden Betroffenen-Vereine und -Verbände. Doch ihre Proteste verhallten.

Nun hieven nach der Bundes-FDP auch Niedersachsens Liberale das Thema erneut auf die Tagesordnung. „Die Novellierung geht uns einfach nicht weit genug“, sagt die sozialpolitische Sprecherin der FDP, Sylvia Bruns. Insbesondere im Erläuterungstext sei sie über Formulierungen gestolpert, die sie unglaublich fand. Denn dort werde nicht nur homosexuellen Männern pauschal ein riskantes Sexualverhalten unterstellt – unabhängig davon, ob sie vielleicht monogam leben oder safer sex praktizieren.

Atemberaubend fand Bruns auch die Passagen, die sich auf Transsexuelle beziehen: „Da sich viele Transsexuelle, die eine vollständige Geschlechtsumwandlung anstreben, beruflich ausgegrenzt und gesellschaftlich diskriminiert fühlen, arbeiten viele als Prostituierte, um auf diese Weise nicht nur den Lebensunterhalt zu verdienen, sondern auch die Operationskosten zu erwirtschaften.“ So steht es da. Quelle dieser Erkenntnisse: Eine einschlägige Erotikwebseite, auf der Transsexuelle ihre Dienste anbieten.

Wissenschaftlich fundierter kommen die Aussagen zum Infektionsrisiko homosexueller Männer daher: Tatsächlich ist dieses statistisch betrachtet erhöht – weil der Anteil der bereits Infizierten innerhalb der homosexuellen Community erheblich höher ist als unter Heterosexuellen. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts entstehen mehr als zwei Drittel der Neuinfektionen mit HIV beim Sex unter Männern.

Auch der Europäische Gerichtshof hatte 2015 geurteilt, dass der Ausschluss oder zeitweise Ausschluss homosexueller Männer von der Blutspende deshalb unter Umständen gerechtfertigt sein könnte – aber nur dann, wenn es keine anderen, weniger diskriminierenden Verfahren gäbe, die Sicherheit der Empfänger von Blutspenden zu gewährleisten.

Als Risikogruppen gelten außerdem Heterosexuelle mit häufig wechselnden Sexualpartner:innen und Sexarbeiter:innen. Auch sie sollen nach riskanten sexuellen Kontakten zwölf Monate warten, bevor sie Blut spenden.

Der Haken ist nämlich das sogenannte diagnostische Fenster: So bezeichnen Mediziner die Phase, in der eine Infektion noch zu frisch ist, um mit den gängigen Testverfahren nachgewiesen zu werden. Denn grundsätzlich werden natürlich alle Blutspenden auf HIV, Hepatitis und Syphilis getestet.

Die Gegner der aktuellen Regelung verweisen aber darauf, dass dieses diagnostische Fenster ja sehr viel kürzer ausfalle als zwölf Monate. Moderne HIV-Tests können das Virus schon nach sechs Wochen im Blut nachweisen.

Schwule Männer und Transsexuelle werden in den Blutspende-Richtlinien als „Personen mit sexuellem Risikoverhalten“ betrachtet.

Sexarbeiter:innen und Heterosexuelle mit häufig wechselnden Partnern zählen ebenfalls dazu.

Abstinent sollen sie alle zwölf Monate vor einer Blutspende bleiben. Überprüfen kann das niemand, die Risikoeinschätzung basiert auf eigenen Angaben.

Epidemiologen verweisen hingegen auf das Risiko, dass neue, von den gängigen Tests nicht ohne weiteres zu erfassende Virenstämme auftauchen könnten – und zwar mit sehr viel höherer Wahrscheinlichkeit innerhalb der Gruppe der Homosexuellen.

Allerdings sind auch die bestehenden Regelungen in dieser Hinsicht widersprüchlich. Menschen, die mit den Angehörigen einer Risikogruppe Sex hatten, dürfen beispielsweise schon nach vier Monaten wieder Blut spenden. „Wie sich dies medizinisch begründen lässt, konnte uns kein Experte erklären“, spottet­ Sylvia Bruns.

Für die FDP zeigt sich hier dann eben doch eine pauschale Diskriminierung. Entscheidendes Kriterium für die Risikoabschätzung sollte das individuelle Verhalten sein – und nicht die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe, heißt es in der Begründung zum Antrag.

Aus der Sicht vieler Gesundheitspolitiker:innen und Betroffener hat der Diskriminierungsverdacht nämlich zwei Nachteile: Erstens schreckt er dringend benötigte Spender ab. Und zweitens mindert er vermutlich den Wert und Wahrheitsgehalt der Einstufung insgesamt. Wer nämlich im medizinischen­ Vorgespräch einfach verschweigt, dass er schwul, bi- oder transsexuell ist oder sein Coming-out nach dem Erhalt des Spenderausweises hat – der wird nicht weiter behelligt.