Vietnam impft jetzt gegen Vogelgrippe

Das von der Seuche am schwersten betroffene Land Südostasiens beginnt mit Testimpfungen in zwei Provinzen

BANGKOK taz ■ Die Provinzen Tien Giang im Süden und Nam Dinh im Norden Vietnams gelten als Testlauf für eine landesweite Aktion. Die Auswahl der Standorte für den Einsatz der in den Niederlanden und China entwickelten Impfpräparate erfolgte dabei gezielt: Beispielsweise war in Tien Giang als eine der ersten Provinzen bereits Ende 2003 massenweise Geflügel verendet, noch bevor die Hühnerpest international Schlagzeilen machte.

Mit kurzfristigen Erfolgen ihrer bis zum Ende des Jahres geplanten Kampagne rechnen Vietnams Behörden aber nicht. Denn die bevorstehenden Wintermonate könnten das Risiko einer Neuinfektion trotzdem deutlich erhöhen: „Es ist wahrscheinlich, dass die Vogelgrippe zur Jahreswende 2005/2006 erneut ausbricht und sich die Ansteckungsgefahr für Menschen wegen möglicher Mutationen verschärft“, mutmaßte unlängst Bui Quang Anh, Direktor der Veterinärabteilung beim Ministerium für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung.

Vietnam gilt als das von der Seuche am schwersten betroffene Land in Südostasien. Seit Dezember 2003 starben nach offiziellen Angaben mindestens 41 Menschen, in Thailand zwölf und im benachbarten Kambodscha vier. Vor kurzem waren auch aus Indonesien die ersten Vogelgrippe-Toten bestätigt worden: Ein 38-jähriger Indonesier aus einem Vorort der Hauptstadt Jakarta und seine beiden Töchter waren an dem H5N1-Virus gestorben.

Um einer drohenden Pandemie vorzubeugen, hatte Vietnam angekündigt, einen Impfstoff auch am Menschen testen zu wollen. Die Produktion des zuvor an Tieren erprobten Präparats hatte bereits im April begonnen und soll noch in diesem Monat ausgewählten Testpersonen verabreicht werden. An ersten Probeläufen sollten bis zu zwanzig Freiwillige teilnehmen, später könne der Kreis auf bis zu 300 Personen ausgeweitet werden, zitierten vietnamesische Medien Professorin Nguyen Thu Van vom Nationalen Institut für Hygiene und Seuchenforschung.

Zumal auch die Weltgesundheitsorganisation WHO weiterhin davor warnt, dass sich bei Mutationen des gefährlichen Erregers eine mögliche Übertragung von Mensch zu Mensch verschärfen könne. Längst haben betroffene Länder und die WHO begonnen, entsprechende Vorräte antiviraler Medikamente gegen H5N1 anzulegen.

Die Ansteckungsgefahr durch die Geflügelpest gilt mittlerweile als langfristiges, schwer einzudämmendes Problem: Nach einer zweiten Infektionswelle im Sommer 2004 hatte beispielsweise Thailand Anfang Mai dieses Jahres vorschnell verkündet, das Land sei nun frei von Vogelgrippe. Doch nur knapp zehn Wochen später waren in der zentralthailändischen Provinz Suphanburi neue Infektionsherde gemeldet worden.

Darüber hinaus machen den Experten vor allem die jüngsten Ausbrüche unter Wildvögeln Sorgen: Nachdem in einem Naturreservat der westchinesischen Provinz Qinghai mehrere tausend Zugvögel verendeten, kursieren jetzt Meldungen, dass die Seuche auch das westsibirische Nowosibirsk erreicht habe.

Westsibiriens Gesundheitsbehörden ordneten bereits Massenschlachtungen von Tieren an, nachdem der zuständige Veterinärdienst vergangene Woche offiziell bestätigt hatte, dass es sich um den gefährlichen Erreger handele. Noch gibt es keine Indizien dafür, dass sich dort auch Menschen mit H5N1 infiziert haben. NICOLA GLASS