Die anhaltende Ruhe im Sturm

Mit einem Auswärtsspiel bei Hannover 96 startet Hertha BSC morgen in die neue Saison. Das Team plagen die gleichen Sorgen wie in der letzten Spielzeit. Ein hochkärtiger Stürmer fehlt weiterhin. Zum Glück ist wenigstens Fredi Bobic nicht mehr dabei

Trifft Marcelinho nicht, funktioniert das ganze Team nicht mehr

von Christo Förster

Nichts als Ärger. Vor dem Auswärtsspiel bei Hannover 96, mit dem Hertha BSC Berlin morgen in die neue Bundesliga-Saison startet, erinnert die Stimmung beim Hauptstadtklub eher an Zweckoptimismus als an echte Zuversicht. Denn dass die Mannschaft für die neue Spielzeit gerüstet ist, erscheint nach den letzten Testspielen fraglich. Immerhin, die Generalprobe gewann das Team um Trainer Falko Götz am Dienstag mit 17:0. Nur hieß der Gegner Königs Wusterhausen und war also gar keiner.

Zum Glück warten mit Hannover und Frankfurt in der kommenden Woche zwei vermeintlich leichte Gegner zum Saisonstart. Denn in der Vorbereitung zeigten die Berliner mehr Schatten als Licht. Es gab Niederlagen gegen Feyenord Rotterdam (0:3), den VFB Stuttgart (3:4 n. E.) und den FC Thun (0:2), ein Unentschieden gegen St. Gallen (2:2) und einen Sieg gegen den AS Rom – im Elfmeterschießen (4:3). Die Testspiele offenbarten vor allem eins: Der Sturm, Schwachstelle in der letzten Saison, ist genauso harmlos wie eh und je.

Gern hätte Manager Dieter Hoeneß eine Offensivkraft von internationalem Niveau in die Hauptstadt geholt. Wunschkandidat Roque Santa Cruz (23) wird nach langem Hin und Her nun aber wohl doch in München bleiben. Mit dem 18-jährigen Nigerianer Solomon Okoronkwo, der Anfang des Jahres beim U-20-Afrika-Cup zum wertvollsten Spieler des Turniers gewählt wurde, hat Hertha BSC zwar ein Supertalent verpflichten können. Okoronkwo hat aber immer noch keine Freigabe für die Bundesliga, und die Beteuerungen von Manager Dieter Hoeneß – „Bis zum Saisonstart kriegen wir das hin“ – sind mittlerweile überholt.

Der Test gegen Rotterdam hat zudem gezeigt, dass Okoronkwo noch Zeit braucht, um eine echte Verstärkung für die Mannschaft zu werden. Vor allem sein aufbrausendes Temperament könnte ihm dabei im Weg stehen. Gegen Rotterdam sah er wegen einer Tätlichkeit bereits die erste rote Karte.

Mit Ellery Cairo (27), der nach Achillessehnen-Beschwerden noch Trainingsrückstand hat, kam ein weiterer Stürmer. Der ehemalige Freiburger gilt zwar als Kandidat für einen Stammplatz, der gewünschte Hochkaräter ist aber auch er nicht.

Immer nervöser beobachtet die Klubführung nun den Spielermarkt. Der Engländer Jay Bothroyd (23) von den Blackburn Rovers, der schon seit einiger Zeit mit der Mannschaft trainiert, und der Serbe Marko Pantelic (26) von Roter Stern Belgrad sind im Gespräch. Weltklassestürmer sind sie genauso wenig wie das ewige Talent Rafael Nando (21), der als „Chancentod“ verspottete Artur Wichniarek (28) und der unerfahrene Amateur Sehad Sahilovic (20), die die Offensivabteilung komplettieren.

Wenn die Stürmer nicht treffen, dann trifft ja immer noch Marcelinho (30). Das war – neben einer soliden Abwehrleistung – der Hauptgrund für das gute Abschneiden der Hertha in der vergangenen Saison. Trifft aber auch Marcelinho nicht, dann funktioniert die ganze Mannschaft nicht mehr. Die Fixierung auf den einen Superstar, an der sich offensichtlich kaum etwas geändert hat, könnte schnell zum Problem werden, wenn es bei dem sensiblen Brasilianer mal nicht so läuft.

Falko Götz wird es aber auch schwer haben, andere Leistungsträger adäquat zu ersetzen, sollten diese einmal ausfallen. Im Mittelfeld wird das schon vor dem ersten Spiel deutlich. Mit Niko Kovac (33), Pal Dardai (29), Zecke Neuendorf (30) und Thorben Marx (24) kann der Trainer durchaus auf einen eingespielten Block zurückgreifen. Dass der angeschlagene Spielgestalter Yildiray Bastürk (26) morgen wohl nicht auflaufen kann, bereitet Götz allerdings einiges Kopfzerbrechen.

Am wenigsten Sorgen machen sich Fans und Verantwortliche um die Abwehr. Zu Recht. Mannschaftskapitän Arne Friedrich (26) hat beim Confederations-Cup im Nationalteam überzeugt und wird in der Saison vor der Weltmeisterschaft alles daran setzen, seine Führungsrolle im Verein zu unterstreichen. Mit Josip Simunic (27) und Dick van Burik (31) stehen ihm erfahrene Spieler zur Seite. Der junge Alexander Madlung (23) hat seine Klasse bereits mehrfach bewiesen und könnte endlich zum Stammspieler reifen.

Eine Hiobsbotschaft der Vorbereitung war zweifelsohne die schwere Verletzung von Torwart Christian Fiedler (30), der noch mehrere Wochen ausfällt. Für ihn wird morgen Gerhard Tremmel (26) zwischen den Pfosten stehen. Mit dem Dänen Kevin Stuhr-Ellegaard (22) von Manchester City wurde zudem ein Ersatztorwart mit Perspektive verpflichtet.

Auch wenn Hertha BSC in diesem Jahr keine hochkarätigen Neuzugänge vermelden konnte und das alte Sturmproblem damit wohl bestehen bleibt, so haben es die Verantwortlichen immerhin geschafft, mit Fredi Bobic, Marco Rehmer und Giuseppe Reina (alle 33) drei Großverdiener von der Gehaltsliste zu streichen, die sportlich schon lange nur noch Mitläufer waren.