DIE GESCHICHTE DER FDLR (III): IM OSTEN DES KONGO
: Exilstaat in den Wäldern von Kivu

Die ruandischen Hutu-Soldaten in Katanga und Kasai widersetzen sich im September 2002 der Rückführung nach Ruanda mit Gewalt. Kongos Regierung überlässt sie daraufhin sich selbst. Ab 2003 ziehen sie zu ihren Waffenbrüdern in Ostkongos Kivu-Provinzen. Dort errichten sie abseits der großen Städte und Verkehrswege einen Staat im Staate.

Die FDLR-Militärs nennen sich nun FOCA (Forces Combattantes Abacunguzi) unter dem ehemaligen ALIR-2-Kommandanten Sylvestre Mudacumura; der politische Flügel tritt unter Präsident Ignace Murwanashyaka als durchorganisierter ruandischer Exilstaat im Ostkongo auf. Die FDLR hat feste Hauptquartiere und Militärbasen, sie besteuert die lokale Bevölkerung, sie unterhält eigene Schulen und Gerichte und kontrolliert zu großen Teilen den lukrativen Handel mit Gold (Süd-Kivu) und Holzkohle (Nord-Kivu).

Die ruandischen Milizionäre sind keine Kongolesen, also müssen sie sich keinen innerkongolesischen Friedensvereinbarungen beugen und ihre Soldaten nicht in Kongos neue Armee FARDC integrieren. Sie genießen Flüchtlingsstatus, also müssen sie auch nicht nach Ruanda zurück, wenn sie nicht wollen. Für freiwillige Rückkehrer hält die UN-Mission im Kongo ein Demobilisierungsprogramm bereit. Die politischen und militärischen Strukturen der FDLR lässt die UNO unangetastet.

Das ist ein Grund, warum immer wieder Tutsi-Offiziere im Ostkongo rebellieren, allen voran Laurent Nkunda mit der Rebellenarmee CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes) 2006–2008. Angesichts dessen entschließt sich Kongos Präsident Kabila Ende 2008 zur Kehrtwende: Er lässt die FDLR fallen, im Gegenzug integriert sich die CNDP im Januar 2009 in Kongos Armee. Zugleich starten die Armeen Ruandas und Kongos gemeinsame Offensiven gegen die FDLR, genannt „Umoja Wetu“.

Die FDLR nimmt blutige Rache an der Zivilbevölkerung der betroffenen Gebiete. Die 2009 verübten FDLR-Massaker sind Hauptgegenstand des Stuttgarter Kriegsverbrecherprozesses. Es folgen weitere kongolesische Militäroperationen und internationale Strafmaßnahmen gegen die FDLR. DOMINIC JOHNSON