Assange wirft den USA „Hexenjagd“ vor

WIKILEAKS Julian Assange gibt auf dem Balkon der Botschaft Ecuadors in London eine bizarr anmutende Audienz

VON OLIVER POHLISCH
UND KLAUS HILLENBRAND

LONDON/BERLIN taz | Fast wie ein Staatsauftritt: Wikileaks-Gründer Julian Assange stand, ordentlich mit Krawatte und blau-weißem Hemd bekleidet, auf dem Balkon der Botschaft Ecuadors in London, die gelb-blau-rote Flagge des Landes flatterte neben ihm. Über 1.000 Menschen harrten seiner Rede, darunter Journalisten, aber auch Unterstützer wie Diana, die extra aus Duisburg angereist war, um die Meinungsfreiheit zu verteidigen.

„Während Wikileaks bedroht wird, wird auch die Meinungsfreiheit und die Gesundheit unserer ganzen Gesellschaft bedroht“, sagte der 41-jährige Australier, der in Schweden wegen des Verdachts der Vergewaltigung befragt werden soll und deshalb in Ecuadors Botschaft in London Asyl erhalten hat. Verlassen konnte Assange das Gebäude nicht, denn vor der Botschaft standen fünfzig Polizisten bereit, um ihn festzunehmen.

Neues über seine künftigen Pläne mochte Assange am Sonntagnachmittag nicht äußern. Er verlangte von US-Präsident Barack Obama ein Ende der „Hexenjagd“ gegen Wikileaks. Er dankte Ecuadors Präsident Correa dafür, dass sein Land ihm politisches Asyl gewährt habe.

Unterdessen hat die Enthüllungsplattform Wikileaks Partei für ihren Gründer ergriffen und verlangt, dass Schweden garantieren müsse, Assange „niemals“ an die USA auszuliefern. Eine solche Garantie wäre eine „gute Ausgangsbasis, um über eine Lösung des Streits zwischen Ecuador und Großbritannien zu verhandeln“, sagte Wikileaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson am Sonntag. Die Sunday Times berichtete, Assange sei bereit nach Schweden einzureisen, wenn Stockholm ihm dies garantiere. Schweden lehnt eine entsprechende Zusicherung aber unter Verweis auf die Gewaltenteilung zwischen Politik und Justiz ab (siehe Text unten).

Assange werden in Schweden Sexualdelikte vorgeworfen, die er bestreitet. Gegen ihn läuft bisher aber kein Ermittlungsverfahren. Beim Versuch, sich einer Auslieferung in das skandinavische Land zu entziehen, war der Wikileaks-Gründer in London in sämtlichen juristischen Instanzen gescheitert. Danach begab er sich in die Botschaft Ecuadors.