Pflegesystem unheilbar

PflegeschülerInnen haben gemeinsam mit Ver.di die Gesundheits­politikerInnen der Bürgerschafts­fraktionen eingeladen. Ihre Forderung ans Parlament: dafür zu sorgen, dass Bremen Krankenhäuser und Einrichtungen in radikal neue Strukturen überführt

Models zeigen, wie gut gelaunte PflegeschülerInnen aussehen könnten – nach einem Systemwechsel Foto: MEV ALLMVMEV128002/Imago

Von Simone Schnase

Nicht weniger als einen radikalen Systemwechsel gegen den Pflegenotstand verlangen PflegeschülerInnen der städtischen Kliniken, der Bremer Heimstiftung und anderer Ausbildungsstätten. Ihren Forderungen und Ideen stellten sich im Gewerkschaftshaus die gesundheits- und pflegepolitischen SprecherInnen aller Bürgerschaftsfraktionen außer der CDU – und die machten dabei eine eher hilflose Figur.

Die SchülerInnen waren gut vorbereitet: Bereits im vergangenen Juli hatten sie mit Ver.di in einem Workshop Forderungen erarbeitet, die bei einer immerhin rund 300 TeilnehmerInnen starken Demo im September vor der Bürgerschaft auf die Straße getragen wurden. Ebenfalls von erfreulich vielen Nachwuchs-Pflegekräften besucht war ein von Ver.di, DGB und der Arbeitnehmerkammer im November veranstalteter Fachtag, der die Pflegesysteme in den Niederlanden und in Österreich genauer unter die Lupe nahm. Das dort Erlernte floss dann in einen weiteren Workshop Mitte Januar.

„In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Gesetze erlassen wie das Pflegeberufegesetz, das Pflegestärkungsgesetz, die Personaluntergrenzenverordnung – aber all das ist bloß Symptombehandlung“, sagte Merle Köppelmann von Ver.di bei der Veranstaltung am Dienstag. Das Übel müsse an der Wurzel gepackt werden. Heißt: Renditeinteressen und Gewinnoptimierung dürften in der Pflege keine Rolle spielen. Dass ein solcher „Systemwechsel“ auch auf Länderebene möglich sei, zeige das Beispiel des kleinsten Bundeslandes Österreichs, des Burgenlandes.

Dort ist seit November das „burgenländische Sozialeinrichtungsgesetz“ in Kraft: Es schreibt vor, dass alle Pflegeeinrichtungen, in die Landesmittel fließen, nach einer Übergangszeit von vier Jahren gemeinnützig haushalten müssen. Das bedeutet, sie dürfen ihre Gewinne nicht mehr in die Taschen von Investoren oder deren Anteilseigner wirtschaften, sondern müssen das Geld ins Pflegeangebot reinvestieren. Außerdem genießen mit dem neuen Gesetz pflegende Angehörige Arbeitnehmerrechte: Sie können sich bei der landeseigenen „Pflege Service Burgenland“ anstellen lassen, bekommen einen Arbeitsvertrag, werden bezahlt und sozialversichert. „Das bedeutet, dass pflegende Angehörige nicht in die Armutsfalle tappen wie es in Deutschland der Fall ist“, sagte die Pflege-Auszubildende Sabine Helmbrecht, die das Konzept vorstellte.

„Kann Bremen nicht das strahlende Land der Pflege in der Bundesrepublik Deutschland werden?“, fragte Jann Wegner, Ausbilder im Bremer Zen­trum für Gesundheit, der das anschließende Podium mit den gesundheitspolitischen SprecherInnen moderierte. „Nun ja, den freigemeinnützigen Pflegeanbietern steht ja auch nur eine begrenzte Menge Geld zur Verfügung“, sagte Magnus Buhlert (FDP) und erntete Unverständnis aus dem Saal: „Wenn Gelder nicht gewinnorientiert rausgezogen werden, bleibt doch logischerweise mehr übrig für jene, die es nötig haben“, so ein Kommentar. Ihr Mut allein sei nicht genug für einen Systemwechsel, sagte Ilona Osterkamp-Weber (Grüne): „Die Frage muss doch lauten: Wer wird künftig die Pflege finanzieren? Wir – und zwar über Steuern oder höhere Pflegeversicherungsbeiträge.“ Es bräuchte darüber hinaus vernünftige Konzepte für einen sinnvollen Personalmix und ein positiveres Bild des Pflegeberufs: „Sonst macht das niemand mehr.“ Ohne höhere Löhne und bessere Personalausstattung werde es keinen Systemwechsel geben, sagte Nelson Janßen (Linke) in etwa das Gleiche wie Ute Reimers-Bruns (SPD).

„Sie sind in der Regierung – fangen Sie an, Ihre Vorsätze umzusetzen!“

Alexander Wendt, Altenpfleger und Mitarbeitenden-Vertreter

Mit der Umwandlung von „gewinnorientiert“ zu „gemeinnützig“ auf bremischer Ebene, um wenigstens dem wachsenden Problem der gewinnorientierten Pflege-Anbieter zu begegnen, hatten all diese Aussagen freilich nichts zu tun. Vielmehr zielten die Podiumsgäste auf den Systemwechsel, der nur auf Bundesebene umgesetzt werden kann und der ja durchaus bereits diskutiert wird: die dringend notwendige Reform der Pflegefinanzierung.

Und so platzte dem einen oder anderen Gast der Veranstaltung dann auch der Kragen: In Bremen, so Altenpfleger und Mitarbeitenden-Vertreter Ale­xander Wendt, sei die Personalausstattung in der Pflege unter Rot-Grün in den letzten Jahren sogar noch abgesenkt worden: „Wie passt das zu Ihrem Gesagten? Sie sind in der Regierung – fangen Sie an, Ihre Vorsätze umzusetzen!“, sagte er.

Das wollen auch die PflegeschülerInnen: Um den PolitikerInnen Dampf zu machen, drückten sie den Abgeordneten einen Antrag an die Bürgerschaft in die Hand (siehe Kasten). Die haben nun einen guten Monat Zeit, sich damit zu befassen: Die Pflegenden erwarten, dass der Antrag am 18. März im Parlament gestellt wird.