Traumatisierter wehrt sich

Nach Psychiatrie-Einweisung legt ein Lüneburger Revision ein

Alles zurück auf Anfang: Am Donnerstag begann am Lüneburger Landgericht zum zweiten Mal der Prozess gegen einen heute 39-jährigen Sudanesen wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung im Zuge einer Prügelei. Der erste Prozess hatte bereits im letzten Jahr für Schlagzeilen gesorgt, weil Lüneburger Antifa-Gruppen darauf aufmerksam machten, dass rassistische Beleidigungen, die zu der Prügelei geführt hatten, in der Anklage unerwähnt blieben. Weil der Bundesgerichtshof das Urteil später aus anderen Gründen aufhob, muss nun noch mal verhandelt werden.

2018 war der Angeklagte Ramadan A. mit Freunden, die auch aus dem Sudan stammen, in Lüneburg unterwegs, als es zu einem Streit mit einer Gruppe Deutscher kam. Laut der Gruppe „Solidarität mit Ramadan“ war es zu der Prügelei gekommen, nachdem die Deutschen die Sudanesen rassistisch beleidigt hatten.

Ramadan A. soll einen Ziegelstein auf einen am Boden liegenden Menschen geworfen haben, der dadurch mehrere Schädelbrüche und Gesichtsverletzungen erlitt. Dies allerdings erst, nachdem A. mehrmals versucht haben soll, die Schlägerei aufzulösen, und gesehen hatte, wie einer seiner Freunde von dem Deutschen brutal verprügelt wurde. Er sagte im Prozess aus, dass er geglaubt habe, ihn sterben zu sehen. Im ersten Prozess erklärte ein Sachverständiger, dass die Szenen bei dem durch Folter traumatisierten A. einen Affekt ausgelöst hätten.

Das Landgericht sprach den Angeklagten frei, ordnete allerdings seine Einweisung in eine psychiatrische Klinik an. Dagegen legte die Verteidigung Revision ein. Es sei nicht zu erwarten, dass A. in einer ähnlichen Situation erneut so handeln würde wie damals, sagt Anwältin Fenna Busmann. Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hob das Urteil daraufhin auf und wies es zur erneuten Verhandlung ans Landgericht zurück. Dennoch verbrachte A. bis zu dieser Entscheidung neun Monate in einer Klinik. „Diese Zeit war eine Qual für ihn“, sagt Busmann.

Für den Auftakt des Verfahrens vergangene Woche hat das Gericht Sicherheitsvorkehrungen verschärft – wohl vor allem, weil die Lüneburger Antifa den Prozess mit Kundgebungen begleitet. André Zuschlag