Islamkunde der Zukunft

Experten entwickeln islamisches Curriculum für NRW

Wie kann islamischer Religionsunterricht in Zukunft aussehen? Dies ist die Frage eines Projektes an der Uni Münster. In den kommenden Jahren erhalten dort Wissenschaftler rund 230.000 Euro aus dem NRW-Programm „Geisteswissenschaften gestalten Zukunftsperspektiven“. In Münster werden schon jetzt am Zentrum für Religiöse Studien bundesweit einmalig Lehrer für den islamischen Religionsunterricht ausgebildet.

„Bisher haben wir die Rahmenbedingungen nur intern festgelegt, da es anders als mit den christlichen Kirchen keinen Staatsvertrag gibt“, sagt der Münsteraner Rechtswissenschaftler Janbernd Oebbecke, „jetzt haben wir die Chance, offene Fragen dauerhaft zu regeln“. Dazu gehören etwa die Fragen, wie die moslemischen Verbände eingebunden werden, welche Inhalte vermittelt werden sollen und wie sehr der Staat Einfluss nehmen darf. Das Essener Zentrum für Türkeistudien (ZfT) propagiert die Schaffung eines Gremiums mit Vertretern der deutschen Ministerien, Religionsexperten aus den Herkunftsstaaten und Vertretern der moslemischen Selbstorganisationen, um ein Curriculum zu entwickeln. Den islamischen Religionsunterricht als Regelfach an staatlichen Schulen bezeichnet ZfT-Direktor Faruk Sen indessen als „außerordentlich bedeutsam für die Integration der Moslems“. Er wäre ein deutliches Zeichen der Gleichberechtigung und würde ein liberales und pluralistisches Islamverständnis etablieren.

Der Islamwissenschaftler Muhammad Kalisch von der Uni Münster wird sich mit der Vielfalt des Islam im Religionsunterricht beschäftigen. Bisher spielten Gemeinsamkeiten und Unterschiede beispielsweise zwischen Sunniten und Schiiten keine Rolle in der Diskussion innerhalb der islamischen Verbände. Dabei sei es notwendig, sie angemessen herauszuarbeiten, damit Moslems aller Glaubensrichtungen einen gemeinsamen Religionsunterricht akzeptieren können, so Kalisch.

Einzelne Richtungen im Islam vertreten Positionen, die nicht mit dem deutschen Recht in Einklang stehen. Ein Beispiel dafür ist das Strafensystem der Scharia, ein anderes die Stellung der Frau im Islam. Der Verwaltungsrechtler Oebbecke wird deswegen untersuchen, wo die inhaltlichen Grenzen des Islamunterrichts liegen und in wie weit der Staat in den Religionsunterricht eingreifen darf. Interessant ist dieser Ansatz nicht nur in Hinblick auf den islamischen Religionsunterricht. Das Projekt von Oebbecke liefert zugleich eine Grundlage für den Umgang mit anderen Bekenntnissen. Ähnliche Fragen könnten sich beispielsweise zum Hinduismus hinsichtlich des umstrittenen Kastenwesens stellen.

Auch ein Rechtswissenschaftler forscht zum neuen Unterrichtsfach: Bodo Pieroth untersucht, wie die Ausbildung der Religionslehrer an die jetzige Rechtssprechung angepasst werden kann. Unbestritten ist, dass die jeweilige Religionsgemeinschaft darüber bestimmt, wer Lehrer werden darf. Anders als bei den christlichen Kirchen gibt es aber im Islam keinen zentralen Ansprechpartner. Pieroth will nun in den einschlägigen Gesetzen herausarbeiten, ob die jetzige Religionslehrerausbildung auch auf den Islam übertragen werden kann. HOLGER ELFES