Arme wohnen zu teuer

In zehn von 17 Bremer Stadtteilen zahlen die Menschen mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für Miete. Besonders betroffen sind Gröpelingen und Woltmershausen

Günstiger Wohnraum? Relativ gesehen: nein! Foto: Kay Nietfeld/dpa

VonSimone Schnase

Fast ein Drittel aller Haushalte in Bremen gibt zu viel Geld für Warmmiete und Strom aus. Das ergab eine MieterInnen- und EigentümerInnenbefragung der Arbeitnehmerkammer in Zusammenarbeit mit dem Statistischen Landesamt. Die Ergebnisse sind Schwerpunktthema des neuen „BAM“, dem Magazin der Kammer.

Laut einer umfassenden Analyse der Hans-Böckler-Stiftung liegt Bremen auf Platz 5 der Rangliste teurer Städte in Deutschland, gefolgt von Bremerhaven. Nur Bonn, Neuss, Köln, und Düsseldorf sind bezogen auf die Mietbelastungsquote, also dem Verhältnis Miete zum Einkommen, noch teurer.

Die Arbeitnehmerkammer hat ihrer Analyse zugrunde gelegt, dass die Höchstgrenze für eine leistbare Warmmiete inklusive Strom bei 40 Prozent des Nettohaushaltseinkommens liegt – das ist eine sehr wohlwollende Herangehensweise, denn sowohl laut Böckler-Stiftung als auch laut dem Deutschen Mieterbund gilt es bereits als problematisch, wenn ein Haushalt mehr als 30 Prozent seines Nettoeinkommens für die Warmmiete ausgeben muss.

Legt man die 40-Prozent-Faustformel der Arbeitnehmerkammer zugrunde, können sich die meisten Befragten das Wohnen in Bremen leisten – keiner der 17 Stadtteile Bremens kommt im Durchschnitt auf Mietkosten von oder über 40 Prozent. In zehn Stadtteilen, also dem größten Teil, geben die Menschen allerdings mehr als 30 Prozent ihres Nettoeinkommens für Miete aus.

Schaut man sich die Stadtteile genauer an, wird vor allem die soziale Spaltung deutlich: Denn im Verhältnis zum Nettoeinkommen zahlen Menschen in den hochpreisigen Stadtteilen Mitte und Östliche Vorstadt weniger als 30 Prozent Miete, während die Menschen im preisgünstigen Gröpelingen mehr als 36 Prozent und in Woltmershausen sogar 39,9 Prozent ihres Nettoeinkommens für Miete ausgeben müssen.

Und dröselt man die Durchschnittswerte auf, ergibt sich selbst auf Basis der zugrunde gelegten 40-Prozent-Formel: Fast ein Drittel der Bremer Mie­terInnenhaushalte ist durch die Wohnkosten zu stark belastet. Das gilt insbesondere für Alleinerziehende und allein lebende SeniorInnen. So zahlen Familien in Bremen durchschnittlich 28,3 Prozent ihres Einkommens für Miete und Paare sogar nur 24,4 Prozent. Alleinerziehende hingegen müssen 42,6 Prozent ihres monatlichen Einkommens fürs Wohnen ausgeben und alleinstehende SeniorInnen 42,7 Prozent. Mit 37,1 Prozent zahlen Singles zwischen 30 und 64 Jahren in Bremen ebenfalls (zu) viel Geld fürs Wohnen.

Die Zahlen verdeutlichten, dass Bremen mehr sozialen Wohnungsbau brauche, schlussfolgert die Arbeitnehmerkammer. Die von der rotgrünroten Koalition geplante Erhöhung der Sozialbauquote auf 30 Prozent sei hier ein Schritt in die richtige Richtung.

Fast ein Drittel der Bremer Haushalte ist durch Wohnkosten zu stark belastet

Für das Bremer „Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen“ reicht das aber noch nicht aus: Es fordert nach dem Vorbild des Berliner Mietendeckels einen zunächst auf fünf Jahre festgelegten Mietpreisstopp für Bremen. Unter dem Titel „Mietendeckel in Berlin – Möglichkeiten für Bremen“ veranstaltet das Bündnis am kommenden Samstag einen kompletten Fachtag zum Thema.

Rotgrünrot kann sich einen Mietendeckel für Bremen durchaus auch vorstellen – zumindest behauptet die Regierung in ihrem Koalitionsvertrag, dass ein „zeitlich begrenzter Mietendeckel für den Bestand, wie er in Berlin angestrebt wird, auch für Bremen in Betracht kommen“ könne, falls die Mietentwicklung dazu Anlass gebe. Das grüne Bauressort wollte davon allerdings zuletzt nicht mehr viel wissen, weil die Mietbelastungsquote im Durchschnitt leicht gesunken sei.

Auch zur Wohnzufriedenheit hat die Kammer BremerInnen befragt. Das Ergebnis: In Findorff und in der Östlichen Vorstadt sind über 90 Prozent der BewohnerInnen besonders zufrieden mit der Nahversorgung. Beim Thema Erreichbarkeit mit dem ÖPNV kommen vor allem zentral gelegene Stadtteile mit Anschluss an mehrere Straßenbahnlinien positiv weg und, ebenfalls erwartbar, gilt beim Thema Sicherheit und Sauberkeit: Je ärmer ein Stadtteil, desto unzufriedener seine Bewoh­nerInnen.

Während bei diesem Thema die Zufriedenheitswerte in den bürgerlichen Quartieren zwischen Findorff und Oberneuland zum Teil bei mehr als 70 Prozent liegen, sind die Menschen in Walle, Woltmershausen und Huchting mit 30 bis 40 Prozent deutlich weniger zufrieden – und der mit Abstand unzufriedenste Stadtteil bei den Themen Sicherheit und Sauberkeit ist Gröpelingen mit einem Wert von nur 12,8 Prozent.