Fischerschreck will das SPD-Bollwerk schleifen

taz geht wählen – die Serie zur Bundestagswahl am 18. September. Die 64 nordrhein-westfälischen Direktwahlkreise im Porträt. Wer kämpft um das Mandat? Wer sind die Außenseiter? Wer gewinnt? Heute: Mettmann I

Mettmann I?Mettmann I ist der südliche von zwei Bundestagswahlkreisen des Landkreises Mettmann. Rund 270.000 Einwohner leben im Wahlkreis. 205.000 Wahlberechtigte dürfen am 18. September ran. Zu diesem Speckgürtel-Wahlkreis rund um die NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf zählen die Städte Erkrath, Haan, Hilden, Langenfeld, Mettmann und Monheim – ach ja, und das weltberühmte Neandertal natürlich. Die hiesigen Ortschaften stehen im Stauland Nordrhein-Westfalen Pate für hoch frequentierte Autobahnkreuze. Politisches Omen? Der Wahlkreis ist rot, unter rotem Wappen. Das Motiv des Kreiswappens ist ein doppelschwänziger roter Löwe auf silbernem Grund. Doch die rote Herrlichkeit im Kreis ist lange vorbei: In vielen Städten regiert nicht die SPD, sondern die CDU.Wer verteidigt den Wahlkreis?Auch der SPD-Wahlkreis Mettmann I könnte diesmal an die CDU fallen. Schon bei der letzten Wahl 2002 verteidigte Sozialdemokratin Lilo Friedrich den Bezirk nur knapp gegen die Konservativen: Mit 71.279 zu 70.418 holte sie das Direktmandat. Die 56-jährige Friedrich wurde 1998 mit dem rot-grünen Machtwechsel in den Reichstag gewählt. Wie so viele SPD-Frauen im Bundestag hat sie rot getönte Haare. Die verheiratete Mutter von sechs Kindern könnte bei Verlust ihres Wahlkreises dennoch Abgeordnete bleiben: Auf der SPD-Landesliste steht sie nämlich auf dem nicht chancenlosen Platz 32.Wer will den Wahlkreis?Michaela Noll (Geburtsname: Tadjadod). Die 45-jährige gebürtige Düsseldorferin ist Tochter eines iranischen Senators und Ministers. Weil der Vater unter den Mullahs zum Tode verurteilt wurde, flüchtete die Familie in die Bundesrepublik. Frau Noll ist Mitglied im Visa-Untersuchungssausschuss. An ihrer Befragungstechnik beim Verhör von Außenminister Joschka Fischer zum Thema Zwangsprostitution schieden sich die Geister. Fischer jedenfalls reagierte explosiv. Die Vermischung der Visa-Politik mit der Prostitution sei infam, brüllte er: „Es geht hier nur um Dreck.“ Eine „entsetzliche Befragung“, wurde ein anonymer Fraktionskollege später in der Welt über Noll zitiert. Harald Schmidt spottete in seiner Show über Noll: „Sieht aus wie eine Sonnenstudiobesitzerin.“ Im taz-Interview sagte Noll unlängst auf die Frage: „Können Sie sich erklären, weshalb Fischer bei Ihrer Frage so extrem reagiert hat?“ Antwort: „Keine Ahnung. Weil ich eine Frau bin? Oder weil es ein sehr emotionales Thema ist?“Der große Außenseiter?Dirk Wedel. Zählkandidat für die FDP, die allerdings bei der letzten Wahl 2002 unter Ägide von Jürgen W. Möllemann ein zweistelliges Ergebnis erreichte. Der 31-jährige Opern-Fan ist Richter am Landgericht. Andere Kandidaten sind noch nicht an die Öffentlichkeit getreten.Die taz-Prognose?SPD-Frau Lilo und CDU-Frau Noll ziehen wieder in den Bundestag ein. Und Harald Schmidt wird „die schöne Anwältin, die Joschka Fischer jagt“ (BZ) weiter beobachten. MARTIN TEIGELER