Kabinenpredigt
: Kiontke am Ball

Drehen an der Abseitsschraube: Wen hat die Regelung mit dem späten Pfiff nicht geärgert letztens beim Confetti-Cup?! Da konnten die Spieler noch länger umsonst rennen als gewöhnlich – total überflüssig. Die Abseitsregel ging mir als Vollblutstürmer schon immer auf den Sack: Die gegnerischen Verteidiger rücken nach jedem Angriff immer wieder bis zur Mittellinie vor, und ich, der eben noch durch den Strafraum segelte, muss mit zurück. Obwohl ich eine Minute später sowieso wieder da bin.

Übrigens: Mannschaften, die die Abseitsfalle meisterlich beherrschen, haben in der Regel sonst nichts drauf. Zudem: Viele Spiele in den unteren Ligen werden von nur einem Schiedsrichter geleitet – da ist die Abseitserkennung Glücksache. Das Abseits und sein Pfiff erhöhen das Aggressionspotenzial erheblich.

Auch in Berlin hat man sich Gedanken zum Thema gemacht. Armin Kuhlmann, legendärer langjähriger Leiter der Liga der Technischen Universität (TU), hat Regeln entworfen, wie dem Abseitsschwachsinn zu begegnen wäre: Erstens schlägt er ein Fußballgebiet innerhalb des Platzes vor, das mit einer „Abseitslinie“ markiert wird. So schnallt auch der blindeste Schiedsrichter, wann er zu pfeifen hat. Kuhlmann fordert, man sollte „einen Forschungsauftrag vergeben und finanzieren, der zum Ziel hat, über eine Saison alle Spiele der 1. und 2. Bundesliga unter Einsatz der vorhandenen technischen Möglichkeiten und unter dem Aspekt der Anwendung der Abseitsregel zu untersuchen sowie die Auswirkung ihrer fehlerhaften Anwendung auf die Spielergebnisse auszuwerten.“ Übersetzt: Einen Haufen Geld auszugeben, um rauszufinden, was die Regel soll.

Und: „In ausgewählten Ligen die Auswirkung des völligen Verzichts auf die Abseitsregel auf die Attraktivität des Spiels erproben.“ Super Sache, was? Aber, aber: Man kann sich ungefähr vorstellen, was in der TU-Liga für Typen am Start sind. Selten war das Geheule der streitsüchtigen Meute so einstimmig wie in diesem Fall: Die TU-Spieler wollen das Abseits auf jeden Fall behalten!

Jürgen Kiontke

Kuhlmanns bemerkenswertes Papier im Internet unter: www.tu-berlin.de/sport/aktuell/schlusspfiff30.html