heute in bremen
: „Es braucht eine Mobilitäts- statt Autoindustrie“

Foto: privat

Achim Heier

66, ist Aktivist bei Attac Bremen und Mitorganisator der Demon­stration.

Interview Teresa Wolny

taz: Herr Heier, sind Fahrräder die Gewinner der Krise?

Achim Heier: Neben dem ÖPNV und dem Fußverkehr sind sie ein Verkehrsmittel der Zukunft. Uns geht es darum, den Autoverkehr nach der Krise zu reduzieren. Mit dem aktuellen CO2-Ausstoß können wir nicht weiterleben.

Aber steigen wegen Angst vor Ansteckung nicht viele Leute vom ÖPNV auf das Auto um?

Wenn die Hygieneregeln eingehalten werden, kann man weiter Bus und Bahn fahren. Autos sind gesundheitsschädigend. Wenn die weniger gefahren werden, haben wir, wie man gerade sieht, bessere Luft. Das Geld, das jetzt in den Autoverkehr gesteckt werden soll, muss stattdessen in den ÖPNV fließen, um eine klimafreundlichere Infrastruktur zu schaffen.

Was halten Sie von einer Kaufprämie ausschließlich für Elektroautos?

Bei den Gruppen, die zur Demo aufrufen, gehen die Meinungen zu E-Autos auseinander. Wir von Attac sehen sie kritisch, weil ihre Produktion hohe Emissionen verursacht und Ökostrom anders gebraucht wird. Für den ländlichen Bereich sind sie eine Übergangslösung, aber eine richtige Lösung sind sie nicht.

Ein häufiges Argument der Autoindustrie sind die Arbeitsplätze.

Wir glauben, dass man die Autoindustrie in eine Mobilitätsindustrie umbauen kann. Dafür werden viele Arbeitskräfte gebraucht und auch in der Pflege oder im Handwerk gibt es Bedarf. Damit kann man die Menschen aus der Autoindustrie sowohl beschäftigen als auch sozial absichern. Außerdem treten wir für eine Arbeitszeitverkürzung ein.

Ist es realistisch, dass jemand freiwillig vom Fließband in die Pflege geht?

Das ist kein einfacher Prozess, aber er muss angegangen werden. Der Transfer hat viel mit Qualifizierung und Arbeitsplatzgarantien zu tun. Wenn gut organisierte Arbeitnehmer:innen aus der Autoindustrie in die Pflege gehen, kann dort vielleicht auch mehr Bezahlung durchgesetzt werden.

Wie lange dauert so ein Prozess?

Das hängt davon ab, wie schnell und konsequent das angegangen wird. Ich denke, innerhalb von zehn Jahren kann sehr viel passieren. Es ist eine zivilgesellschaftliche Aufgabe. Eine Möglichkeit wären Transformationsräte, die Lösungen für den Umbau suchen.

Wie baut man so etwas wie die deutsche Autoindustrie um?

Fahrraddemo „Keine Kohle für Klimakiller! Verkehrswende statt Abwrackprämie!“: 15 Uhr auf dem Marktplatz

Etwa, indem sie für den höheren Bedarf an Bussen und Bahnen produziert. Die Strategie der Konzerne ist bisher, immer mehr SUVs zu produzieren, weil die sich besser verkaufen lassen. Als Alibi wird das Elektroauto benutzt. Die Autoindustrie versucht schamlos, die Krise zu meistern, indem sie vom Staat Geld fordert, dabei sitzen sie auf riesigen Gewinnrücklagen. Wenn man bedenkt, dass BMW in diesem Jahr 700 Millionen Euro nur an Dividenden für die Familien Quandt und Klatten ausgeschüttet hat, ist das nur noch pervers. Wir glauben, dass die Lobbymacht der Autokonzerne gebrochen werden muss, da sie nicht freiwillig auf Profitmaximierung verzichten.

Indem man protestiert?

Seit den Protesten gegen die internationale Automobilmesse letzten Herbst hat sich die Stimmung gegenüber dem Individualverkehr geändert. Von vielen Seiten wird dieser sehr viel kritischer gesehen, und darin sehen wir eine Chance. Mit der Demo wollen wir weiter Öffentlichkeit herstellen.

Wie groß ist Ihre Hoffnung, das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen?

Der wirtschaftliche Neustart nach der Krise muss genutzt werden, um die Wirtschaft CO2-arm umzubauen, das ist meine Hoffnung.