LESERINNENBRIEFE
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Vorwurf ohne Überzeugungskraft

■ betr.: „Sehnsuchtsort Moderne“, taz vom 7. 8. 12

Gern und mit Interesse lese ich die Artikel von Micha Brumlik in der taz, so auch den über die Autobiografie Jutta Schwerins. Von einer Stelle fühlte ich mich persönlich angesprochen: „Wandte sich diese (nichtjüdische westdeutsche Linke) von ihren oftmals nazistischen Eltern ab und den jüdischen Opfern zu, um später im Protest gegen den Staat Israel und aus Solidarität mit den Palästinensern judenfeindliche Motive ihrer Eltern unbewusst zu übernehmen.“

Ja, noch in den ersten Tagen des Sechstagekrieges 1967 rief in Berlin Prof. Helmut Gollwitzer zu einer Solidaritätskundgebung mit Israel vor der Gedächtniskirche auf, an der ich teilnahm. Aber mit dem Sieg Israels und der Besetzung der arabischen Territorien änderte sich die Einstellung vieler Linker schnell. Ich kann nicht erkennen, dass es zu einer plötzlichen unbewussten Übernahme judenfeindlicher Motive unserer Eltern kam. Vielmehr setzte sich unter den Linken ein Weltbild durch, das im US-Imperialismus den Hauptfeind der Völker sah und im Kampf der Völker um Selbstbestimmung und Unabhängigkeit einen wesentlichen Teil der Weltrevolution.

So galt nicht nur der Kampf des vietnamesischen Volkes als ein solcher Beitrag, sondern auch der noch unter dem Kolonialjoch leidenden Völker und der der arabischen Volksmassen; denn Israel wurde in diesem Weltbild als Brückenkopf, gar Kettenhund des US-Imperialismus betrachtet, als Siedlerstaat, erbaut auf dem Rücken der einheimischen Bevölkerung. – Dieses Weltbild, nicht zuletzt befeuert durch Che Guevaras Schrift „Schafft zwei, drei, viele Vietnams!“, war extrem einseitig und verbohrt, wenn es auch durch die politischen Ereignisse als plausibel erschien. Aber auch darin sehe ich keine genuinen oder auch nur unbewussten antisemitischen Motive. Allerdings werfe ich mir selbst vor, die Verantwortung als Deutscher gegenüber Juden, die ich zuvor durchaus empfunden und bejaht hatte, nun beim Staat Israel ausgeblendet zu haben.

Wie gesagt, den Kampf der Palästinenser betrachtete ich nun als Teil des weltrevolutionären Prozesses; aus dieser Bestimmung heraus ergab sich die negative Haltung zum Staat Israel, nicht aus einem judenfeindlichen Motiv. Dem Vorwurf, ich hätte mich wegen judenfeindlicher Motive meiner Eltern leicht dieser propalästinensischen Haltung angeschlossen, kann ich keine Überzeugungskraft abgewinnen. Vermutlich bin ich innerhalb der Linken mit dieser Einschätzung kein Einzelfall. MEINHARD SCHRÖDER, Berlin

Gute Gründe für Protest

■ betr.: „Sehnsuchtsort Moderne“, taz vom 7. 8. 12

Ganz sicher sind und waren die Proteste gegen die Politik des Staates Israel den Palästinensern gegenüber meist nicht von unbewussten judenfeindlichen Motiven, die von den Eltern übernommen wurden, motiviert. Gute Gründe zu protestieren gibt es schließlich viele. Micha Brumlik hätte solch eine generalisierende Unterstellung durch Beweise untermauern oder viel mehr differenzieren müssen, anstatt seine pauschale Anschuldigung bequem aufs Unbewusste zu verschieben. MANUELA KUNKEL, Stuttgart

Obskur und scheinheilig

■ betr.: „Neiddebatte voll entbrannt“, taz vom 6. 8. 12

Es ist schon obskur, wie unser „christliches Abendland“ auf der einen Seite stets bemüht ist, seine im Christentum fußenden Werte und Traditionen hervorzuheben – vor allem wenn es ihm um die Abgrenzung von Menschen anderer Religionszugehörigkeiten geht –, gleichzeitig jedoch gerade diese christlichen Werte der Nächstenliebe, der Sorge für Kinder, Witwen, Alte, Kranke und Schwache mit Füßen tritt. Dafür gibt es nur einen Ausdruck: scheinheilig!

MICHAELA DIEROLF, Wimsheim

Keine regionale Angelegenheit

■ betr.: „Freund Hindenburg“, Kommentar von Pascal Beucker,taz vom 4. 8. 12

Bei der Umbenennung des Schlossplatzes in Münster geht es um weit mehr als eine regionale Angelegenheit, da immer noch in vielen anderen Städten, wie zum Beispiel dem „roten“ Hamburg, dem früheren Reichspräsidenten durch die Benennung einer zentralen Verkehrsachse sowie durch die Ehrenbürgerwürde gehuldigt wird. Und man sollte nicht vergessen, dass es sich bei besagter Person nicht nur um jemanden handelt, der Hitler ins Amt gehievt, sondern der ebenfalls Gesetze unterschrieben hat, die die Verfolgung von Andersdenkenden in die Wege leiteten. Weswegen diejenigen Westfalen, die für eine Beibehaltung des Namens Paul von Hindenburg im Stadtbild plädieren, sich auch unweigerlich mit einem Teil der NS-Diktatur solidarisieren! RASMUS PH. HELT, Hamburg

Nur so eine Idee

■ betr.: „Rot-rot-grünes Traumschiff“, Kommentar von Stefan Reinecke, taz vom 7. 8. 12

„Do you have a dream?“ – Yes! Und diesen Traum des sozial-ökologisch plus Frieden fördernden Umdenkens und Umbauens unserer Welt lasse ich mir von niemandem nehmen – auch nicht durch das versuchte Herbeidenken der Chancenlosigkeit seitens eines Herrn Reinecke! Warum nicht auch noch die Piraten mit an Bord nehmen? Würde helfen, alte Verkrustungen, auch des Denkens, durch eine gesunde Prise Unverbrauchtheit zu lösen. War nur so eine Idee …

SABINE MIEHE, Marburg