Fußball in der Antarktis

Kaum heldenhafter Wettlauf nach Norden: Das Metropolis zeigt den Dokumentar-Klassiker „Scott‘s Last Journey“

1911 bricht der Brite Robert Falcon Scott auf, um die Antarktis zu erforschen. Mit von der Partie ist der Fotograf Herbert Ponting. Als erster Mensch fotografiert er die faszinierenden Lichtspiele, die dramatischen Eisformationen und die Leere am Südpol. Schwarz-weiß und doch wie in tiefes Orange getaucht wirken seine Bilder.

Eine lange Fotostrecke mit diesen wertvollen Originalen hat der Regisseur John Read in seinen Dokumentarfilm Scott‘s Last Journey eingebaut. Ein halbes Jahrhundert, nachdem Scott und seine Leute dem ewigen Eis erlegen waren, hat Read seinen Dokumentarfilm über das Wettrennen zum Pol gegen den Norweger Amundsen gedreht. Wieder mehr als 40 Jahre später zeigt das Metropolis Kino diesen Abenteurer-Klassiker im Rahmen seines Sommerprogramms „Cinema Antarctica“.

Der Regisseur verwendet darin ausschließlich Originalmaterial. Er zeigt die Filme von damals, zitiert Scotts Tagebuch, ein Mitreisender erzählt; Kommentare aus dem Off setzt der Regisseur sparsam ein. Sie erzählen, ohne zuzutexten. Expeditionsalltag ist zu sehen, auch komische Sequenzen sind dabei, wenn im britischen Heimathafen die Ponys in ihren Holzboxen per Flaschenzug auf das Schiff namens „Terra Nova“ gehievt werden, die Matrosen zum Zeitvertreib Kosakentänze auf Deck veranstalten oder auf dem antarktischen Schneefeld Fußball spielen.

Die Expediteure von damals hatten den ausdrücklichen Auftrag, ihre Reise genau zu dokumentieren. Das haben sie getan, und davon profitiert Reads Dokumentation. Die Kamera kann so ganz nah herangehen an ihre Protagonisten. Mit einem Blick etwa in die letzten krakeligen Aufzeichnungen von Scott, bevor ihm der Griffel aus der gefrorenen Hand gefallen sein muss.

Was der Zuschauer bei aller Authentizität in Kauf nehmen muss, ist die omnipräsente Filmmusik im Stil der Abenteuerfilme der frühen Sechziger. Diese musikalische Ästhetik wirkt heute zu schwülstig, sie verleiht dieser Todesreise zum Südpol die Aura des Heldenhaften.

Das sieht der von Read interviewte Expeditionsteilnehmer auch so. Beispielhaft hätten diese Männer sich verhalten, sagt er 50 Jahre später, in seiner warmen trockenen Wohnung sitzend. Eine unbeschreibliche Expedition sei das gewesen, bei der sie viel Spaß gehabt hätten. Keine Brüche, keine Frage nach dem Wozu des Ganzen, kein Wort der Verzweiflung, des Leids. Dimensionen, die Bilder sehr wohl offenbaren: Am eindrücklichsten wirkt die norwegische Flagge am Pol, als die entkräfteten Männer dort ankommen, ihre enttäuschten Gesichter, die Frostbeulen aus nächster Nähe. Und so kann man gut über die Heldentümelei hinwegsehen, um einzutauchen in die nasskalten Tiefen der Abenteurermythen und ihrer historischen Verortung im Prolog. Er führt in die britischen Verhältnisse zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts ein: Trauer um Edward VII und die Freude der Bevölkerung am Ballooning führen sacht an die Meeresküste, zu der großen Werft, wo das Prestigeschiff, die „Terra Nova“ im Dock liegt, bereit zum Aufbruch. Katrin Jäger

Do, 28.7., 18.30 Uhr, Metropolis