Rettung durch die Tram

Bei der Wiederbelebung der City geht es auch um kostenlosen ÖPNV. Das soll dem Einzelhandel helfen, die Pandemiefolgen zu bewältigen. Aber was bringt das?

Beweisfoto aus dem Jubiläumsjahr 2001: Die Tram kann Leute in die Innenstadt locken Foto: Andreas Wrede/dpa

Von Marie Gogoll

Samstags kostenlos mit dem ÖPNV durch die Innenstadt – das ist eine der markantesten Maßnahmen im Senatsprogramm zur City-Belebung. Mit dem will man die drohende Verödung infolge der Coronakrise abwenden.

Wie sich diese kostenlose Reise durchs Zentrum gestalten soll, ist dabei unklar geblieben. Sogar der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) ist noch nicht bekannt, auf welche Strecken sich der besagte Innenstadtbereich genau beziehen soll. Ebenfalls ungeklärt ist, ob das Fahren nur tagsüber oder auch in der Nacht kostenfrei wäre. Das würde einen erheblichen Unterschied für Kund*innen und Betreiber*innen von Restaurants und Bars bedeuten. Klar ist zwar, dass Fahrten in höherer Taktung stattfinden müssten, aber offen ist auch der Umgang mit Wochen- und Monatstickets, die ja einen Teil ihres Gegenwert verlieren würden.

Zweifel, ob dies hilft, mehr Menschen in die Innenstadt zu holen, hat Stadtplaner Stefan Kruse. Den hatte sich der Bremer Senat extra aus Dortmund eingekauft, damit er die Innenstadtpläne mit Fachkenntnis begleitet. Für die meisten Leute käme es ihm zufolge bei der Wahl des Verkehrsmittels eher auf die Angebotsqualität an als auf den Preis: Wie gut ist das Streckennetz ausgebaut? Wie sind die Fahrzeuge ausgestattet? „Das sind Fragen, auf die es ankommt“, meint Kruse. Selbst die Initiative „Einfach Einsteigen“, die sich für ticketlosen ÖPNV in ganz Bremen einsetzt, sieht die geplante Maßnahme kritisch. „Die Leute müssen ja erst mal irgendwie in die Innenstadt kommen“, sagt deren Sprecher Mark Wege. Ein kostenfreies ÖPNV-Wochenende für ganz Bremen als Versuch hielte er dementsprechend für konsequenter. „Dann würden auch andere Stadtteile davon profitieren“, meint Wege.

Der Senat hat das „Aktionsprogramm Aufenthalts und Erlebnisqualität Innenstadt“ am 25. August beschlossen. Es wird mit Mitteln des Bremer Coronafonds finanziert. Der soll der „kurz- und mittelfristigen Verhinderung struktureller Einbrüche in Wirtschaft und Gesellschaft“ dienen, wie es in dem Programm heißt. Die Pläne umfassen sechs Themenfelder. „Der spannende Teil an dem Projekt ist, ob die Mischung aus lang- und kurzfristigen Maßnahmen gelingt“, sagt Robert Bücking von den Grünen. Ein Themenfeld ist dabei die Erhöhung der Erreichbarkeit des Stadtzentrums.

„Der spannende Teil ist, ob die Mischung aus lang- und kurzfristigen Maßnahmen gelingt“

Robert Bücking, Die Grünen

Beim City-Gipfel Mitte Juli war noch ein Vorschlag der Bremer Handelskammer diskutiert worden. Die hatte vorgeschlagen, die Obernstraße testweise ÖPNV-frei zu gestalten. Die Idee sei gewesen, durch weniger die Innenstadt einkaufsfreundlicher zu machen, sagt Philipp Keitel, Referent bei der Handelskammer. Statt der Haltestelle Obernstraße könnten die Leute ja die an Domsheide oder Brill nutzen. Das wäre zwar für Menschen mit eingeschränkter Mobilität ein Nachteil, „aber so weit ist es ja jetzt auch nicht“, so Keitel. Trotzdem stieß der Vorschlag auf wenig Gegenliebe.

Auch Stadtplaner Kruse hält die Überlegungen der Handelskammer für eine Fehlkalkulation. In vielen Städten habe es den Trend gegeben, die Tram aus der Einkaufsstraße zu verbannen. „Die meisten bereuen dies allerdings mittlerweile“, so Kruse. Straßenbahnen im Stadtbild führten dazu, dass die Menschen die Möglichkeit der ÖPNV-Nutzung bewusster wahrnähmen. Außerdem nutzten viele die Wartezeit an der Haltestelle für einen kurzen Sprung in den Drogeriemarkt oder einen Kaffee von der Bäckerei gegenüber.