Omas Asche darf auf den Kaminsims

Sachsen-Anhalt plant das „liberalste Bestattungsrecht“ der Republik: Urnen sollen bald auch im Wohnzimmer stehen

BERLIN taz ■ In den USA kann, wer will, in seiner Limousine beerdigt werden. Italiener und Spanier haben nichts dagegen, wenn die Urne mit den sterblichen Überresten eines Angehörigen zu Hause aufbewahrt wird. Und in den Niederlanden ist es gar erlaubt, die Asche eines Verstorbenen überall zu verstreuen. In Deutschland dagegen herrscht seit der Nazizeit im ganzen Land „Friedhofszwang“, das heißt Särge und Urnen müssen – mit wenigen Ausnahmen – auf dem Friedhof beerdigt werden.

Sachsen-Anhalt will diesen alten Konsens nun aufheben: Sozialminister Gerry Kley (FDP) stellte gestern einen Gesetzesentwurf vor, mit dem „Sachsen-Anhalt das liberalste Bestattungsrecht in ganz Deutschland“ erhalten soll. Das Kabinett will im September über den Entwurf beraten, der Landtag im November.

Demnach würde der „Friedhofszwang“ für Feuerbestattungen wegfallen; Angehörige könnten die Urne mit der Asche der Verstorbenen mit nach Hause nehmen. Zugleich müsste jedoch genau dokumentiert werden, wo die Asche zukünftig zu finden sei – samt Namen und Registrierungsnummer, erklärte Kley. Als letzte Ruhestätte kämen nur Wohnungen, Privatgrundstücke und speziell ausgewiesene Orte in Frage.

Die Evangelische Landeskirche warnte vor der Lockerung. Der Umgang mit Verstorbenen werde zunehmend vom Gedanken einer kostengünstigen Entsorgung bestimmt: „Wer will denn garantieren, dass die Urne mit dem Großvater nicht bei der nächsten Haushaltsauflösung auf dem Sperrmüll landet?“

Schon vor drei Jahren hatte die Düsseldorfer Landesregierung ein liberaleres Bestattungsrecht geplant – am Ende kamen aber nur wenige, schwammig formulierte Änderungen heraus. So blieb es in NRW verboten, die Urne mit nach Hause zu nehmen. Schon jetzt kann man allerdings mit der Asche von Toten tricksen – etwa wenn ein Urnengrab in der Schweiz gekauft wird und offen bleibt, wann die Urne dort landen muss. Minister Kley versicherte, ein Wildwuchs sei ausgeschlossen. Das zeige auch die Praxis in den Niederlanden. Dort lässt sich nur ein Bruchteil der Hinterbliebenen die Asche der Verstorbenen aushändigen.

PHILIPP GESSLER

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