Geschmack von Freiheit und Ausgelassenheit

Cornern ist in Hamburg ein Lebensgefühl. Und nicht selten der Beginn von Freundschaften

Von Sarah Zaheer

Als ich für das Studium von Berlin nach Hamburg zog, lernte ich mit der Zeit meine Wahlheimat und ihre Bewohner:innen mit all ihren Kuriositäten kennen. Auch wenn ich nie verstehen werde, weshalb Helmut Schmidt hier als Heiliger gilt, wie man sich das ständige Regenwetter schönreden kann und warum es nicht okay ist, Franzbrötchen als „eine Art Zimtschnecke“ zu bezeichnen, muss ich doch zugeben, dass ich einige Dinge für mich entdecken konnte.

Eine davon ist das Cornern. Ich kannte den Begriff „Cornern“ gar nicht, bevor ich hierherkam. Ich war also schon gespannt, was auf mich zukommen sollte, als ich mich das erste Mal zum Cornern verabredete. Fast enttäuscht musste ich dann feststellen, dass es ja gar nichts so Neues war. In Berlin hatte ich mir auch schon mal was am Späti geholt und mich ins Freie gesetzt.

Aber ich sollte schnell lernen, dass das Cornern in Hamburg einen ganz anderen Stellenwert hat. Es geht eben nicht nur darum, sich ein Bier bei einem x-beliebigen Kiosk zu holen. Es geht um ein Lebensgefühl. Das Sitzen auf der Straße mit dem Getränk und der Musik seiner Wahl bedeutet ein Stück Autonomie.

Es liegt dieser Geschmack von Freiheit in der Luft. Von Ausgelassenheit, von dem Gefühl, sich die Straße und die öffentlichen Plätze zurückzuerobern. Ich lernte, dass Cornern auch politisch sein kann. Etwa beim Cornern gegen G20, wo die Polizei letztlich mit Wasserwerfern anrückte.

Heute verbinde ich das Cornern mit lauen Sommernächten. Mit dem Aufeinandertreffen von Menschen, mit denen man am Tag nicht gesprochen hätte. Mit der Spannung, die man spüren konnte, als die Polizei kam. Mit einem Picknick am Schulterblatt auf einer großen, mit Delfinen bedruckten Decke. An den Beginn von Freundschaften.

Irgendwie haben es die Hamburger:innen geschafft, mich von ihrem Lebensgefühl zu überzeugen.