Österreich verteidigt seine Folterpolizei

Europaratskomitee beklagt massive Gewalt an Häftlingen. Regierung widerspricht: „Hervorragende Arbeit“

WIEN taz ■ „Nicht nachvollziehbar“ sind die Vorwürfe des Anti-Folter-Komitees des Europarats für Alexander Niederwimmer, den Sprecher der Linzer Polizei. In einem Donnerstag veröffentlichten Bericht hatte das Straßburger Komitee Vorfälle vor allem im Bereich der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz dokumentiert. Laut Aussage von im Bericht zitierten Häftlingen seien Misshandlungen im Polizeigewahrsam so normal, dass sich kaum einer darüber beklage. Von Fausthieben, Tritten, zu eng angelegten Handschellen und Schlägen mit Telefonbüchern ist die Rede.

Das Anti-Folter-Komitee erstellt nach Besuchen in Gefängnissen, Polizeizellen und psychiatrischen Einrichtungen Berichte über die Behandlung von „Personen, denen die Freiheit entzogen ist“. Im April 2004 seien die Experten in Österreich von mehreren Ministern empfangen worden und nirgends habe man ihnen den Zutritt verwehrt, wird lobend angemerkt. Allerdings seien nicht alle früher schon kritisierten Missstände abgestellt worden. Die österreichische Bundesregierung verwies in ihrer Stellungnahme auf die Einrichtung eines Menschenrechtsbeirates im Innenministerium, Schulungen für Polizei und Strafvollzugspersonal und die Erstellung neuer Richtlinien für die Untersuchungen von Vorwürfen gegen Exekutivorgane. Dennoch: Wenn es nach Urteilssprüchen gegen brutale Polizisten geht, so sind Übergriffe praktisch inexistent. Österreichweit wurden im Jahr 2004 gerade 456 Anzeigen gegen Beamte registriert. Davon führten nur 53 zu Gerichtsverfahren und in nur zwei Fällen wurden Polizisten verurteilt.

Innenministerin Liese Prokop, erst seit einem halben Jahr im Amt, glaubt, dass auch an den neuen Vorwürfen nichts dran sei: „Ich lasse mir nicht die hervorragende Arbeit unserer Polizei schlechtreden. Der Einsatz der Beamten wird immer schwieriger.“ Dem Innenministerium war der Bericht schon im Dezember zugegangen. Ministeriumssprecher Johannes Rauch bestätigte, dass manche Kritikpunkte sehr ernst genommen würden. Auch, was unsanfte Behandlung in der Abschiebehaft betrifft. Ein Abschiebehäftling soll wenige Wochen vor dem Besuch der Delegation stundenlang in einer Gummizelle in der so genannten Schwalbenposition eingesperrt gewesen ein, mit den Hand- und Fußfesseln hinter dem Rücken zusammengeschlossen. Die Verantwortlichen hätten versichert, das komme nur ausnahmsweise und bei Gefährdung vor.

Das Komitee bezieht sich auch auf den Fall des 33-jährigen Mauretaniers Cheibane Wague, der vor zwei Jahren unter den Füßen und Knien von Polizisten einem Herzversagen erlag. Der Prozess gegen die Beamte und einen Notarzt begann diese Woche, wurde jetzt aber zwecks weiterer Beweisaufnahme auf Herbst vertagt. Der Arzt sagte in den ersten Prozesstagen aus, er habe sich „nicht getraut“, dem Mann gegen die Faustschläge der Polizisten zu Hilfe zu eilen. Er habe die Vitalfunktionen des am Boden fixierten, röchelnden Mannes nicht überprüft, weil er sich darauf verlassen habe, die „Obrigkeit“ wisse schon, was sie tue.

RALF LEONHARD