Wettbewerbssport und Raketen sind doof

PROTEST Nachdem 26,9 Millionen Briten die olympische Eröffnungsfeier im Fernsehen verfolgen, demonstrieren 500 gegen die Spiele. Darunter: Tscherkessen, mit Hinweis auf Sotschi 2014

LONDON taz | „Keine Limos, keine Logos, keine Raketen“ lautete das Motto der Anti-Olympia-Demo, zu dem das „Counter Olympics Network“ am Samstag aufgerufen hatte, dem ersten vollen Tag der Spiele. Rund 500 Menschen fanden sich dazu an der U-Bahnstation Mile End Bezirk Tower Hamlets ein.

Die Teilnehmerinnen zogen quer durch den Stadtteil Bow, das unmittelbar ans Olympiagelände grenzt. Unvermeidbar der Auftritt der trotzkistischen Socialist Worker Party mit ihren standardisierten Schwarzweißplakaten, dahinter ein kleiner Block von Anarchisten mit Anonymous-Masken. Der Protest richtet sich nicht nur gegen problematische Olympiasponsoren, sondern auch gegen die Kosten der Spiele in Zeiten harter Sparmaßnahmen. Geradezu ermutigt durch die Eröffnungszeremonie mit ihrer fast schon subversiven Huldigung des staatlichen Gesundheitssystems, fordern die DemonstrantInnen gleich auch noch das Ende der Privatisierungspolitik.

Auf der Demo sind auch die Londoner Grünen vertreten. Mitglied Mark Dawes findet vor allem die Olympiasponsorenschaft von Coca-Cola und McDonald’s skandalös. „Das widerspricht dem Bemühen, Kinder zum Sport zu animieren. Deren Fettleibigkeit nimmt immer stärker zu“, so Dawes.

Die Grünen aus dem Bezirk Lewisham fokussieren ihren Protest auf die Boden-Luft-Raketen, die das Militär zum Schutz vor Terrorattacken mitten in Wohngebiete stationiert hat. Die Demo macht am Bow Quarter Halt, einer zur Wohnanlage umgebauten Streichholzfabrik. Auf einem Wasserturm stehen auch dort Raketen. Während die DemonstrantInnen das als bedrohlich empfinden, äußern einige Anwohner, sie fühlten sich nicht gestört, die erhöhte Sicherheitspräsenz sei sogar positiv.

„In meinem Haus sind sogar die Glühbirnen im Flur gestohlen worden, ich hoffe, auf die Raketen wird besser aufgepasst“, sagt Celia Forbes, die gegenüber wohnt. Spontan hat sie sich in die Demo eingereiht. „Nationalismus und Wettbewerbssport sind wirklich nicht mein Ding“, erklärt sie und fügt hinzu, dass sie deshalb auch für ein paar Tage verschwinden wird – nach Berlin. Die Demo stößt bei Passanten nicht nur auf Ablehnung. Viele sind gar nicht informiert, welche Konzerne die Spiele sponsern.

Und sie finden es richtig, dass hier das Demonstrationsrecht ausgeübt werden kann. Anders als in Peking 2008 oder, absehbar, bei den Winterspielen 2014 im russischen Sotschi. Am Freitag hatte eine Handvoll Aktivisten eine „alternative Fackel“ durch den Osten Londons getragen. Die wird nun feierlich an die Anti-Sotschi-Gruppe weitergegeben: Tscherkessen aus dem US-Exil, die daraufhin einen recht spektakulären tscherkessischen Tanz hinlegen.

OLIVER POHLISCH