Luxus für Sekunden

Markenkleidung, Rap und die ivorische Form der Sozialhilfe: Die Finanzperformance „Prodada“

von Katrin Jäger

Es ist Samstagnacht, die Hamburger Diskothek „Trafalgar“ ist gut gefüllt, vor allem Schwarze feiern hier. Plötzlich springt der Rapper Jiji Bedan auf die Tanzfläche, gekleidet in die besten und teuersten Stoffe der diversen Edelmarken. Gezielt nimmt er mit einem Diskobesucher Kontakt auf, zeigt mit dem Finger auf ihn, singt auf ihn ein. Der so Besungene löst sich aus der Menge und gibt dem Rapper einen Geldschein in die Hand. Schon nimmt Bedan den nächsten Gast ins Visier, jetzt fließt das Geld in die andere Richtung.

Weshalb er das tut, das erschließt sich wohl nur jemandem, der an der Elfenbeinküste, in Côte d‘Ivoire aufgewachsen ist. „Prodada“ heißt das Spiel, das das europäische Verständnis vom Umgang mit Geld zunächst einmal überfordert. Zur Party heute Abend im „Trafalgar“ ist diesmal der Pariser Star Ben Chico eingeladen. Zusammen mit zehn weiteren Migranten hat Ibé Logobi-Dambu die Finanzperformance nach Hamburg importiert. „Das ist einfach unsere Philosophie“, schwärmt er, „das ist vor allem Spaß und Bluff, nach dem Motto: Wir sind arm, aber trotzdem können wir mit Geld spielen. Ich genieße das.“

In Deutschland ist die Prodada-Szene noch übersichtlich, ihr europäisches Mekka heißt Paris. Dort landen die meisten Einwanderer von der Elfenbeinküste. In der großen Diskothek „Le Lycee“ beispielsweise rappen die Performer täglich. Ein paar Sekunden lang im Luxus schwelgen, einen Abend lang zeigen, was man kann, in Stoffen von Versace und Gucci strahlen, die Sonnenbrille von Dolce & Gabbana zur Schau tragen, das gibt ein gutes Gefühl – und lenkt ab vom Leben in Armut.

Die Firmen sponsern das teure Outfit, sagt Ibé Logobi-Dambu. „Das ist Werbung für die Klamotten. So ist das. So fließt das Geld wieder zurück dahin, von wo es gekommen ist.“ Wunschdenken ist das, vielleicht das Spätziel der in Deutschland zart keimenden Prodada-Szene. Die Hamburger Theaterregissuerin Monika Gintersdorfer ist mit den Darstellern eng vertraut, sie erzählt etwas anderes: „Die sparen sich das letzte Stück Brot vom Mund ab, pumpen Freunde an, liegen mit der Miete in Rückstand, um sich eine Markenhose leisten zu können.“

In Paris funktioniert die Show über den Glamoureffekt hinaus als eine Art unterhaltsame Sozialhilfe. Dort laden die Organisatoren gezielt wohlhabende Afrikaner zu ihren Partys ein. Mehrere tausend Euro können an einem Abend die Besitzer wechseln. „Vor allem Fußballstars wie Didier Drogba machen die Scheine für ihre Landsleute locker“, sagt Monika Gintersdorfer. Die Theaterregisseurin ist fasziniert davon, wie Prodada Show und Ökonomie vereint. „Didier Drogba, der hat natürlich ein immenses Gehalt, und da macht es ja auch nichts, wenn man in einer Nacht Zigtausende verpulvert.“

In Hamburg fließen niedrigere Summen, aber auch hier gibt es bekannte Geldgeber. Jojo ist einer: Er darf auf keiner Prodada-Party fehlen, und er kommt gern. „Das ist für uns lustig, Geld auszugeben. Das ist in der afrikanischen Kultur verwurzelt. Ja, das kommt auch von Herzen.“ Die Texte zum Prodada-Rap entstehen spontan. Es geht darum, den Besungenen in ein gutes Licht zu stellen: wie toll er oder sie ist, wie schön, wie elegant die Kleidung. Manchmal kniet der Rapper vor der Person und füttert sie mit Geld. „Die Bewegungen setzen den Text um“, weiß Gintersdorfer. „Man singt zum Beispiel, man müsse das Gleichgewicht halten und steht auf einem Bein. Das hat mit der Situation zu tun, vielleicht ein schwieriges Leben zu haben, aber irgendwie die Balance zu haben.“

In Côte d‘Ivoire haben Prodada-Veranstaltungen eine lange Tradition. Spontan fangen die Menschen an, ihr Geld zu tauschen, auf der Straße, zu Hause, im Café. Nach welchen Regeln die Performance funktioniert, bleibt Außenstehenden zunächst unklar. Wo der Zaster herkommt, und wo er hinfließt, oft auch. Monika Gintersdorfer hat diese Mischform von Ökonomie und Unterhaltung zunächst verwirrt. Auf einer Party hat sie gesehen, wie jemand Champagner auf dem Boden verspritzte. „Wenn in einer armen Disko der Boden voller Champagner ist, oder die Hände voller Geld, dann ist sie eben für diese Sekunde reich. Und sich darin zu überbieten, so einen Luxus zu produzieren, das ist ja für uns ja relativ fremd“, meint die Theaterfrau. „Und das finde ich interessant.“

Sa, Diskothek „Trafalgar“, Heidenkampsweg 32; Einlass ab 23 Uhr