Billionstel Gramm als Grenzwert

GIFT Dioxine sind tückische Substanzen. Sie reichern sich im Fettgewebe an und wirken mindestens teilweise krebserregend

BERLIN taz | Den Anfang machte die Katastrophe im italienischen Seveso. Chemiefabrik, anstehendes Wochenende, Fehler bei der Bedienung, Wind – und binnen kurzer Zeit werden im Jahr 1976 mehrere Quadratkilometer verseucht. Pflanzen gehen ein, Tiere sterben und Menschen kommen mit Chlorakne ins Krankenhaus, auffälligen Hautveränderungen im Gesicht, die sich nur selten heilen lassen. Die Fachwelt wird aufmerksam auf eine neue Substanz, die später als Sevesogift bezeichnet wird: ein Dioxin, nach Angaben des Umweltbundesamtes (UBA) das am stärksten toxische. Schon kleinste Mengen sind ein Problem.

Dioxine sind in der Umwelt weit verbreitet, sie entstehen beispielsweise bei Verbrennungsprozessen. Das kann sich schnell bemerkbar machen: Entzündet jemand ein Osterfeuer auf einem Gelände und scharren später Hühner darauf, werden Messungen des Dioxingehalts in den Eiern wahrscheinlich die Grenzwerte überschreiten. Denn Dioxin ist langlebig: Im Boden hat es eine Halbwertszeit von mehreren Jahrzenten, Menschen und Tiere speichern es im Fettgewebe. Das Dioxin, das sich am langsamsten abbaut, ist nach 20 Jahren noch immer zur Hälfte im Körperfett vorhanden. Die Weltgesundheitsorganisation hat das Sevesogift später als krebserregend eingestuft, bei anderen Dioxinen gibt es den Verdacht.

Ein Erwachsener in Deutschland nimmt laut UBA pro Tag und Kilogramm Körpergewicht etwa zwei Billionstel Gramm Dioxin und dioxinähnliches PCB auf. Zum Vergleich: Der Dioxin-Grenzwert für Eier liegt bei drei Billionstel Gramm pro Gramm Fett. 90 bis 95 Prozent der aufgenommenen Dioxine, so schätzt das UBA, stammen dabei aus der Nahrung, in erster Linie aus Milch- und Fleischprodukten. Probleme entstehen immer wieder in der Massentierhaltung, wo Landwirte Tierfutter zukaufen und so Anbau und Transport nicht mehr unter Kontrolle haben. Ist das Futter dioxinverseucht, nehmen die Tiere das Gift auf – und später der Mensch, der die Produkte isst. SVE