WOLFGANG GAST LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Auferstanden aus Ruinen

Darauf haben wir gewartet. Endlich, so heißt es in einem Flyer, der dieser Tage einer im Osten der Republik erscheinenden Tageszeitung beiliegt, endlich sind sie in einem Band erhältlich: die kompletten Verfassungstexte der DDR der Jahre 1949, 1968 und 1974. Der Prospekt, der auf den 144-Seiten-Band hinweist, heißt „Unsere Buchempfehlung für Sie“, und das angepriesene Werk „Verfassung der DDR“ wird beworben neben Titeln wie „Militärische Uniformen in der DDR 1949–1990“, „Sex und der Vatikan“ oder „Das große DDR Kochbuch“ (www.buchredaktion.de/verfassung-der-ddr.html).

Wir lesen Erstaunliches: Die Veränderungen zwischen 1949 und 1974 zeigten die Veränderung der politischen Wirklichkeit in der DDR, und zumindest in den letzten Versionen sei diesen Verfassungen eine breite Diskussion in der DDR-Bevölkerung vorausgegangen – durch deren Druck Ende 1989 der Paragraf zur Führungsrolle der SED entfernt worden sei. Hallo, hallo? Breite Diskussion?

„Eine nach wie vor spannende Lektüre!“ wird versprochen – und sie ist es. Vor allem die des Vorwortes des „renommierten ostdeutschen Juristen Erich Buchholz“. Buchholz, Buchholz? Ja doch. Erich Buchholz, seit 1946 Mitglied der SED, Habilitation 1963 über Diebstahl und 1976 zum Direktor der Sektion Rechtswissenschaft an der Humboldt-Uni befördert.

Ein Superjurist: In einem Aufsatz in den Weißenseer Blättern hielt er im Jahr 2000 unter dem Titel „10 Jahre unter bundesdeutscher Strafjustiz“ in Sachen Republikflucht fest: „Nur gegen diejenigen, die den Grenzdurchbruch fortsetzten, kam es zum gezielten – und dabei immer noch nicht vorsätzlich tödlichen – Einsatz von Schusswaffen. Es ist somit festzustellen: Die Grenzverletzer setzten also durchweg im Wissen um das Risiko ihr Leben aufs Spiel! Sie handelten selbstmörderisch“. Spannende Lektüre, von den Verfassern der DDR.

■ Der Autor ist Redakteur der taz