Vereint gegen den Glaubensmachismus

Christliche, jüdische und muslimische Theologinnen haben gemeinsam einen Verein gegründet. Er soll die Männerdominanz in den Religionsgemeinschaften brechen – und offenbaren, was in den heiligen Schriften wirklich über Frauenrechte steht

VON COSIMA SCHMITT

Sie sind Musliminnen, Jüdinnen oder Christinnen. Sie finden, dass sie vieles trennt, aber eins verbindet: der Kampf gegen eine religiöse Tradition, die Frauen benachteiligt. Daher haben jetzt 60 Forscherinnen und Praktikerinnen den Verein „Interreligiöse Konferenz Europäischer Theologinnen“ (Iketh) gegründet.

„Wir wollen eine geschlechtergerechtere Sichtweise“, sagt die Muslimin Rabeya Müller, Vorsitzende des Vereins. Nicht die Religionen an sich seien frauenfeindlich. Sie würden nur so ausgelegt. Denn jahrhundertelang prägten Männer Glaubenstraditionen. Sie nutzten die Chance, patriarchale Bräuche göttlich zu legitimieren.

Dient es dem männlichen Überlegenheitsgefühl, schätzt eine Religion durchaus das Repertoire der anderen, hat Müller beobachtet. Die biblische Überlieferung etwa, dass die Frau der Rippe des Mannes entspringt, steht zwar so nicht im Koran. Dennoch taucht sie in islamischen Debatten auf – als angeblicher Beleg, dass der Mann der Frau überlegen sei.

Der Verein ist kein Laienzirkel. Die Mitglieder sind Pfarrerinnen, Forscherinnen oder Religionspädagoginnen. Sie sind in ihrer Glaubensgemeinschaft verhaftet, wollen sie von innen heraus reformieren. „Wenn mir etwa eine Frau sagt, ich darf die Thora nicht berühren, Gott will das nicht – dann argumentiere ich dagegen“, sagt Rachel Herweg, jüdische Theologin in Berlin.

Der Verein wolle kein „religiöses Einerlei schaffen in dem Sinne: Wir beten ja alle zu einem Gott.“ Die Unterschiede seien unleugbar. Im Alltagskampf aber fänden sich durchaus Parallelen. So predigten die ersten Pfarrerinnen unter Buhrufen. Ähnliches erleben derzeit emanzipationswillige Musliminnen. Wollen sie mit den Männern in einem Raum beten, treten sie gar vor, das Freitagsgebet zu sprechen – dann übertönt sie einen Proteststurm.

Der neue Verein ist hervorgegangen aus einer Initiative, in der sich zunächst lediglich Christinnen austauschten. Erst der 11. September 2001 nährte die Idee: Wenn wir einen Verein gründen, dann sollte er auch die anderen Ein-Gott-Religionen einbinden. „Will man den Islam verstehen, dann reicht es nicht, den Koran zu lesen“, sagt Herweg. „Man muss begreifen, wie die Menschen denken, wie die Organisationen funktionieren.“

Der Verein versteht sich als Absage an jene, die Islam und Christentum als unversöhnlich propagieren. „Das ist unser Beitrag gegen Hassprediger und Selbstmordattentäter“, sagt die Münchener Pfarrerin Brigitte Enzner-Probst.

Vehement fordert der Verein daher einen Islamunterricht an allen Schulen. Die Deutungshoheit über den Islam dürfe man nicht religiösen Eiferern überlassen, sagt Herweg. So stärke die Schule auch die Frauenrechte. „Muslimische Kinder müssen erfahren, dass sich religiöse Traditionen zeitgebunden entwickelt haben. Und dass man sie der Moderne anpassen darf.“

Gern möchten die Iketh-Frauen eine schnelle Einsatztruppe der Religionskenner sein. Etwa gegen jeden, der behauptet, die Bibel gebiete, Frauen das Priesteramt zu verwehren. Oder einer Jüdin untersagt, ihrer Gemeinde vorzustehen. Oder gar den Islam vorschiebt, um Morde zu rechtfertigen. Großes Ziel des Iketh ist ein europaweites Netzwerk, das eigene Studien veröffentlicht, etwa zum Thema: Wie definiert welche Religion wirklich einen Märtyrer?

Mit Broschüren und Stellungnahmen wollen die Frauen auch Klischees entlarven. „Derzeit werden Muslime oft derart pauschal mit Stereotypen diffamiert wie früher einmal Juden“, sagt Herweg. „Hier müssen wir eingreifen – mit unserem gebündelten Fachwissen.“