Knochen mit Ostblick

Bis Napoleon den Bremern Hygiene beibrachte, begruben sie Menschen in der Altstadt: Schachtungen rund um St. Stephani haben massenhaft Skelette freigelegt, die im Frühjahr erneut begraben werden sollen

Bei Erdarbeiten an der evangelischen St.-Stephani-Kirche in Bremen sind ungewöhnlich viele Skelette aus dem Mittelalter gefunden worden. Sie werden nun von Archäologen mit Kellen und Pinseln freigelegt. „Dass wir auf dem alten Friedhofsareal fündig werden, war uns klar, aber über die Menge sind wir überrascht“, sagte am Montag Bremens Landesarchäologe Dieter Bischop. Bisher wurden seinen Angaben zufolge 100 Kisten mit Knochen gesichert – vom Säugling bis zum Erwachsenen.

Sie werden zunächst dokumentiert, dann anthropologisch hinsichtlich Alter, Geschlecht und Krankheiten untersucht und später wieder bestattet. Alle Toten wurden, wie damals üblich, nach Osten ausgerichtet beerdigt. Als besondere Herausforderung wird der Erdaushub aufgefasst, aus dem Knochen herausgesiebt werden sollen. „Wir haben 13 Sattelschlepper abgefahren und gelagert“, bilanzierte Kirchenarchitektin Antje Wittenberg. Der Aushub könne nicht einfach so weggeschüttet werden.

Im 12. Jahrhundert wurde auf der „Steffensdüne“ direkt an der Weser am westlichen Rand der Bremer Altstadt erstmals eine Kirche errichtet. Mittlerweile wird der mehrfach erneuerte und ausgebaute Sakralbau vor allem als Kulturkirche genutzt. Bis 1811 seien die Gemeindemitglieder auf einem Friedhof rund um die Kirche beigesetzt worden, erläuterte Bischop. Mit der Besetzung Bremens durch Napoleon war damit Schluss. „Napoleon setzte auf Hygiene, verbot Bestattungen in der Altstadt, und es wurden Begräbnisplätze am Doventor und am Herdentor eröffnet“, erläuterte Kulturpastorin Diemut Meyer.

Gefunden wurden die Skelette, weil auf dem Gelände eine Terrassenanlage entstehen soll, die sich von der Kirche in Richtung Weser öffnet. Wann die Skelette wieder bestattet werden können, ist noch nicht klar. „Vielleicht im Frühjahr“, sagte Meyer. Auch eine inzwischen entschärfte Fliegerbombe, mittelalterliche Mauerreste, alte Treppen und der Minutenzeiger der Kirchturmuhr, der bei Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg vom Turm gefallen war, wurden bei den Erdarbeiten entdeckt. (epd/taz)