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Mehr Licht!

Wenn im Herbst die Tage kürzer und die Nächte länger werden, verdunkelt sich bei vielen Menschen auch die Stimmung. Eine Lichttherapie kann helfen

Kinder in Murmansk, wo die Nacht im Winter lange andauert, kommen täglich unter die Tageslichtlampe Foto: Nikolai Ignatiev/Alamy/mauritius images

Von Cordula Rode

„Sehnsucht nach Licht ist des Lebens Gebot.“ Diese Worte Henrik Ibsens sprechen in der dunklen Jahreszeit vielen Menschen aus dem Herzen. Die saisonale Depression betrifft nach aktuellen Studien bis zu 25 Prozent der Bevölkerung und löst in etwa die gleichen Symptome aus wie eine klinische Depression: Erschöpfung, Antriebslosigkeit, Gereiztheit oder Freudlosigkeit. Oft begleiten diese Einschränkungen die Betroffenen bis ins Frühjahr hinein. Ursache ist der Lichtmangel, der im Körper für einen veränderten Tag-Nacht-Rhythmus sorgt und ein Ungleichgewicht der Hormone und Botenstoffe im Gehirn auslöst. Dabei stehen die Neurotransmitter Serotonin und Melatonin im Mittelpunkt. Das Tageslicht aktiviert im Körper das stimmungsaufhellende Serotonin und hemmt die Bildung des Schlafhormons Melatonin, das alle aktivierenden Prozesse des Körpers herunterfährt. Wenn das Licht fehlt, übernimmt bei manchen Menschen Melatonin das Kommando.

Im Prinzip ist dieser Vorgang eine Art Vorbereitung auf die Winterruhe, die evolutionär sinnvoll war, solange der Mensch allein auf das Tageslicht angewiesen war: Der Körper geht in den Energiesparmodus – was angesichts unserer heutigen Lebensumstände aber wenig wünschenswert ist. Eine bewährte und erfolgreiche Methode, um den Körper daran zu hindern, in diese Ruhestellung zu gehen, ist die Lichttherapie.

„Die saisonale Depression macht ungefähr 5 bis 10 Prozent aller diagnostizierten Depressionen aus“, sagt Oliver Pogarell. Auch, wenn diese Form der Depression oft eine weniger dramatische Symptomatik aufweist, ist sie keinesfalls auf die leichte Schulter zu nehmen, erklärt der stellvertretende Direktor der Psychiatrischen Klinik des LMU-Klinikums in München. „Symptome, die auf eine Depression hinweisen und länger als 14 Tage anhalten, sollte man immer ernst nehmen.“ Auch eine Winterdepression könne einen schweren Verlauf haben. Die Lichttherapie sei dabei eine bewährte Möglichkeit, den Betroffenen zu helfen: „Ungefähr 60 bis 70 Prozent der Behandelten verspüren eine Besserung, die oft bereits nach wenigen Tagen einsetzt.“ Wichtig dabei sei das konsequente Fortsetzen der Behandlung, denn die Lichttherapie wirkt nicht nachhaltig, sondern akut. Optimal ist die Kombination mit einer gesunden Lebensführung mit viel Bewegung und angemessener Ernährung.

Zum Einsatz kommen dabei Kunstleuchten mit einer Stärke von bis zu 10.000 Lux und blendfreiem weißem Licht. Ein ständiger direkter Blick in die Lichtquelle ist dabei nicht nötig; es genügt, die Augen regelmäßig in Richtung der Lampe zu richten. Optimal ist es, das Licht direkt am Morgen zu nutzen, jeweils für eine halbe Stunde. Tageslichtlampen sind zu erschwinglichen Preisen erhältlich – dennoch empfiehlt es sich, vor der Eigenbehandlung einen Arzt zu Rate zu ziehen, einerseits zur Diagnosesicherung, andererseits zur Vermeidung von Nebenwirkungen zum Beispiel bei Augenerkrankungen. Neben speziellen Tageslichtlampen kann auch der Einsatz der sogenannten Vollspektrumlampen sinnvoll sein. Sie bilden das gesamte Spektrum des Tageslichts ab und werden zum Beispiel als Decken- und Tischlampen eingesetzt. Untersuchungen zufolge kann der Einsatz einer solchen Beleuchtung am Arbeitsplatz einer Winterdepression sogar vorbeugen.

Auch bei klinischen Depressionen kann diese Therapie zumindest als ein Baustein der Behandlung Licht ins Dunkel bringen, da auch hier oft eine Störung des Serotoninspiegels eine der Ursachen ist. Karsten, der an starken Depressionen litt, erlebte die positiven Auswirkungen im Rahmen einer stationären Behandlung. „Am Anfang fand ich es schrecklich“, erinnert sich der 55-Jährige. Es sei aufgrund der durch die Depression verursachten inneren Unruhe quälend gewesen, untätig vor der Lampe verharren zu müssen. „Aber nach einiger Zeit änderte sich das – ich kam zur Ruhe und empfand die Therapie als angenehm.“

Je nach Leiden helfen verschiedene Arten der Bestrahlung

In der Dermatologie wird die Therapie mit Licht schon seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt. Hier wird UVA- und UVB-Strahlung eingesetzt, um Hautkrankheiten wie Schuppenflechte, Neurodermitis und Allergien zu lindern. Der spezielle Wellenlängenbereich bewirkt eine Herunterregulierung des Immunsystems in der Haut und hemmt das Wachstum der Zellen der oberen Hautschicht. Dies fördert die Abheilung der entzündlichen Hautveränderungen.

Im Gegensatz zur Lichttherapie gegen Depressionen dürfen diese Behandlungen ausschließlich unter ärztlicher Kontrolle durchgeführt werden. Eine aktuelle Studie des Universitätsklinikums Freiburg hat eine weitere vielversprechende Einsatzmöglichkeit der Lichttherapie gezeigt, die vielen Hautkrebs­patienten helfen kann, die unter den schweren Nebenwirkungen der medikamentösen Therapie wie Hautausschlag oder Durchfall leiden.

Dabei wird nicht der Patient selbst bestrahlt – Immunzellen werden außerhalb des Körpers mit einem lichtreaktiven Medikament versetzt, mit UV-Licht behandelt und in den Körper zurückgegeben. Durch das Verfahren werden vermutlich Immunzellen aktiviert, die die Entzündung stoppen.