So ein Rad ist schnell weg

STATISTIK Die Zahl der Diebstähle ist stark gestiegen. Niedrige Aufklärungsquote

„Die Polizei braucht eine zielgerichtete Präventionsstrategie“

PHILIPP POLL, ADFC

Er wollte nur kurz ein Bier holen. Doch als der 18-jährige Constantin Venker das Geschäft in der Herrmannstraße wieder verließ, war sein in die Jahre gekommenes schwarzes Hollandrad verschwunden. Er hatte es vor einigen Jahren für 100 Euro gebraucht gekauft. „Da baumelte nur noch das Schloss am Fahrradständer. Ich war richtig entsetzt. Irgendwie hing ich an dem Teil“, erzählt Venker.

So wie dem angehenden Abiturienten erging es fast 26.000 Berlinern im vergangenen Jahr, wie aus der Kriminalstatistik der Polizei hervorgeht. Das sind täglich 71 Fahrraddiebstähle und damit 30 Prozent mehr Fälle als 2010. „Grundsätzlich steigt die Anzahl von Diebstählen, und auch der Wert der Fahrräder ist höher als früher“, sagt Ralf Pergande, Geschäftsführer von Pergande & Pöthe, die Radversicherungen anbietet. „Früher konnten Diebe mit den Fahrrädern nicht viel anfangen. Da sind die Objekte heute begehrter.“ Grund sind die steigenden Preise für Neuräder, was auch mit den beliebter werdenden teuren E-Bike-Modellen zu tun hat.

Der fahrradlose Venker macht sich indes wenig Hoffnung: „Von den Leuten, die ich kenne, hat niemand sein gestohlenes Fahrrad wiedergesehen“, sagt Venker ernüchtert. Die Aufklärungsquote von Fahrraddiebstählen in der Stadt scheint seine pessimistische Haltung zu bestätigen. Lediglich 4 Prozent der Fälle nehmen ein gutes Ende.

2010 wurden fast 330.000 Fahrräder in Deutschland gestohlen – ein Anstieg von 7,2 Prozent. Die bundesweite Aufklärungsquote pendelt seit Jahren bei rund 10 Prozent. Warum ist die Bilanz in Berlin so bescheiden? Polizeisprecher Guido Busch versucht zu relativieren: „Viele Fahrräder sind nicht codiert. Werden sie gefunden, können sie nicht zugeordnet werden.“ Auch das Anzeigeverhalten sei in Berlin anders. Viele würden den Diebstahl gar nicht erst melden. Erfolge gebe es durchaus: „Letzten Monat haben wir einen Fahrraddieb geschnappt, der 50 Fahrräder gelagert hatte.“

Bodo Pfalzgraf, Chef des Landesverbandes der konservativen Deutschen Polizeigewerkschaft, ist da selbstkritischer. „Das hat sicherlich mit der dünnen Personaldecke der Berliner Polizei zu tun“, so Pfalzgraf zur taz. Wenn man die Beamten in die U-Bahn schicke, können sie keine Fahrraddiebstähle aufklären.

Auch Philipp Poll, Landesgeschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs, glaubt, dass die Polizei mehr tun könnte: „Andere Städte wie München, Magdeburg und Rostock stehen mit einer Aufklärungsquote von bis zu 20 Prozent viel besser da. Wenn die Berliner Polizei wie in München mit mehr Personal und einer zielgerichteten Präventionsstrategie vorgehen würde, ließe sich die Aufklärungsquote sicherlich deutlich erhöhen.“ VINCENT STREICHHAHN