Augen auf bei der Ärztewahl

Steffen Grüner repräsentiert in Osnabrück die Ärztekammer Niedersachsen und kandidiert für die Kammerversammlung. Im Internet postet er rechtslastige Beiträge. Der Hartmannbund distanziert sich

„Weder die Aktivitäten noch die politischen Meinungsäußerungen von Herrn Dr. Grüner waren mir in dem Umfang bekannt“

Anke Lesinksi-Schiedat, Niedersächsischer Hartmannbund

Von Harff-Peter Schönherr

Zeichnungen können verräterisch sein. Zum Beispiel die mit den Hühnern, die fröhlich ein buntes Schild hochhalten: „Foxes welcome“, nur um danach von einer Flut von Füchsen überrannt und gekillt zu werden. Es ist eine hässliche Anspielung auf die Willkommenskultur. Steffen Grüner, der Leiter der Bezirksstelle Osnabrück der Ärztekammer Niedersachsen (ÄKN), der derzeit für einen Sitz in der niedersächsischen Kammerversammlung kandidiert, hat sie auf Twitter gepostet. Es ist nicht seine einzige Rechtslastigkeit in den sozialen Medien (taz berichtete).

Filiz Polat, Bundestagsabgeordnete der Grünen aus Bramsche und Sprecherin für Migrations- und Integrationspolitik, beobachtet Grüner schon länger und zeigt sich erstaunt, wie wenig bekannt die Vorgänge waren. Sie bekomme Rückmeldungen von Ärztinnen und Ärzten aus dem Ärzteverband Hartmannbund und der Ärztegenossenschaft Niedersachsen-Bremen, wo man sich schockiert zeige und von den Äußerungen Grüners klar distanziere.

Solche Reaktionen wünscht sich Polat nun auch gegenüber der Öffentlichkeit: „Wir dürfen es nicht zulassen, dass rassistische und volksverhetzende Äußerungen ein gefährliches gesellschaftliches Klima schaffen – schon gar nicht aus einer gesellschaftlich so wichtigen Gruppe wie der Ärzt*innenschaft oder einer gewählten Kammerversammlung heraus.“ Das Thema scheine laut Polat nun aber zumindest bei allen Beteiligten anzukommen.

Zumindest beim Hartmannbund, für den Grüner bei der Kammerwahl antritt, kommt es an. Der Berufsverband vertritt die Interessen von Ärztinnen und Ärzten, von Medizinstudierenden. Sein Wertekanon basiere „strikt auf der freiheitlich-demokratischen Grundordnung“, sagt Anke Lesinski-Schiedat, dessen niedersächsische Landesvorsitzende. „Alle diesen Wertekanon missachtenden Äußerungen oder Ähnliches im Sinnzusammenhang mit dem Hartmannbund verbitten wir uns und sehen es als schädigend an, wenn dieses nicht respektiert wird.“

Sie distanziere sich, „auch im Namen des LV Niedersachsen, ausdrücklich von Form und Inhalt von Positionen und Äußerungen“, wie sie in der taz Steffen Grüner zugeordnet werden. „Diese widersprechen meiner persönlichen Überzeugung, die von Toleranz und Weltoffenheit geprägt ist.“ Sie sagt auch: „Weder die Aktivitäten noch die politischen Meinungsäußerungen von Herrn Dr. Grüner waren mir in dem im taz-Artikel dargestellten Umfang bekannt.“

Steffen Grüner, von der taz zur Kommentierung angefragt, schweigt weiterhin. Man möge sich direkt an Grüners Praxis wenden, sagt Thomas Spieker, Sprecher der Hannoveraner Zentrale der Ärztekammer Niedersachsen: „Die Ärztekammer Niedersachsen ist hierfür nicht der Ansprechpartner.“ Seltsam, da Steffen Grüner doch, als lokaler ÄKN-Repräsentant, für ein überörtliches ÄKN-Gremium kandidiert.

Stattdessen schreibt Grüner einen Zehn-Punkte-Brief an die taz-Redaktion. In dem steht, er sei „seit zehn Jahren Mitglied im Ärzteparlament“, seine Gesinnung sei „seitens der Ärztekammer in den zehn Jahren nie in Frage gestellt worden“. Er stelle muslimische Männer auf Twitter nicht generell als gewalttätig dar; er habe lediglich „die Migrationspolitik der Grünen und der SPD mit der Weiterleitung von satirischen retweets auf twitter in Frage gestellt“. Zudem habe er das Zurschaustellen der Reichsflagge nicht verharmlost; er habe nur „auf die geschichtlichen Unterschiede und den Missbrauch der Flaggen durch politische Parteien aufmerksam gemacht“.

Auch der Vorwurf, er wolle sich von Siegfried Sonneck nicht distanzieren, einem Arzt, der Mitglied seiner ÄKN-Bezirksstelle ist und gegen den derzeit ein amtsgerichtliches Verfahren wegen islamfeindlicher Volksverhetzung läuft (taz berichtete), sei falsch. Berufsrechtliche Verfahren würden zentral in Hannover durchgeführt, daher habe er keinen Zugriff auf die Akten gehabt; eine „Vorverurteilung der Kammer ohne Akten“ sei nicht rechtswirksam, schon gar nicht vor Abschluss der staatsanwaltlichen Ermittlungen.

Auch bei Grüner kommt das Thema also an.