Kein Geld für Zahnpasta

Die Widerspruchsverfahren bei der Bagis dauern zu lange, beklagt Matthias Brittinger vom Verein „Sozialer Lebensbund“ die Unterbesetzung der Bagis-Stelle

Das ist die Härte – wenn das Fahrgeld in die Suchtklinik fehlt

bremen taz ■ „Es war klar, dass wir gewinnen.“ Obwohl Matthias Brittinger gegen die Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (Bagis) jetzt mal wieder obsiegt hat, bleibt er verärgert. „Die Widerspruchsstelle der Bagis ist unterbesetzt“, sagt der Mann vom Verein „Sozialer Lebensbund“ in Gründung. Dass Betroffene deshalb bisweilen über zwei Monate auf Entscheidungen warten müssten, sei für die oft eine unerträgliche Härte. Denn bei vielen gehe es um den letzten Cent. Das war auch im jetzt „gewonnenen“ Fall von Petra C. so, die ohne die Hilfe Fremder nicht einmal genug Geld gehabt hätte, um aus dem Krankenhaus zu der verordneten Reha-Maßnahme in die Suchtklinik im Wiehengebirge zu gelangen. Doch hatte die Bagis jede Zuständigkeit abgelehnt. „Die waren stur“, sagt Brittinger.

Erst nachdem Brittinger als ehrenamtlicher Helfer und als Bevollmächtigter der alkoholkranken Frau Klage beim Verwaltungsgericht einreichte, kam Bewegung in die Sache: Die Bagis änderte ihre abweisende Haltung, bearbeitete den ALG-Antrag prompt und wies das Geld an. „Warum denn nicht gleich so?“, fragt Brittinger verärgert.

Der 44-Jährige vertritt mehrere Personen gegenüber der Bagis. „Das Problem ist, dass der Einzelne dort sehr schnell abgewimmelt wird“, sagt er. „Dann brauchen die Menschen jemanden, der sich auskennt und sie begleitet. Sein „Sozialer Lebensbund“ ist aus dem kleinen Kreis der Bremer Montagsdemonstranten hervor gegangen. „Ich kann Ihnen sagen, ich kenne viele Fälle, wo die Betroffenen erst durch unser Nachhaken Hilfe bekommen haben.“ In einem Fall beispielsweise wurde die Miete einer geschlagenen Frau erst übernommen, nachdem Brittinger selbst der Entscheiderin die Verwaltungsvorschrift vorlegte, aus der die neueste Regelung hervorging. „Aber wenigstens ließ die Frau mit sich reden“, sagt er.

Petra C. allerdings biss bei der Bagis auf Granit. Nachdem sie wegen einer Krankheit versäumt hatte, ihren Folgeantrag auf weitere Gewährung von Arbeitslosengeld II fristgerecht zu stellen, war im Juni schon kein Geld mehr gekommen, im Juli war auch der letzte Cent ausgegeben. Schnelle Hilfe zur Überbrückung – als Vorschuss per Scheck – lehnte die Bagis jedoch ab. Die 53-Jährige sei nicht mittelos, attestierte der zuständige Sachbearbeiter – ohne Angabe von Gründen, aber auch nicht in Form eines widerspruchsfähigen Bescheids.

„So kann man das doch nicht machen“, zürnt Brittinger. „Die Frau lag mit gebrochenem Arm und ohne Geld im Krankenhaus. Die konnte nicht einmal die Zahnpasta bezahlen.“ Das Argument der Bagis, dass bei einem stationären Klinik-Aufenthalt doch für alles gesorgt sei, treffe nicht zu. „Seit wann kriegt jemand im Krankenhaus kostenlos Hygieneartikel?“, fragt er. Auch widerspreche diese Position der Rechtslage. Danach nämlich stünden der Frau auch auf Station mindestens 26 Prozent des ALG II Regelsatzes zu. Eine Wahrheit, der sich nun offenbar auch die Bagis gebeugt hat – und einem Gerichtsentscheid so zuvor kam. ede