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Nationalisten fürchten um ihren Einfluss

Die politische Elite spaltet seit Jahrzehnten die Gesellschaft. Doch es gibt Anlass zur Hoffnung

Aus Sarajevo Erich Rathfelder

In Bosnien und Herzegowina gibt es Hoffnung auf einen grundsätzlichen Politikwechsel. Bei den wichtigen Lokalwahlen am 20. November gewannen vor allem nichtnationalistische Parteien und die Opposition.

In Banja Luka, der Hauptstadt der serbischen Teilrepublik, gewann ein junger Oppositioneller, in der Hauptstadt Sarajevo verlor die muslimische Nationalpartei SDA ihre Machtbasis in der Stadt und im Kanton. Stattdessen wurde etwa im Wahlbezirk Zentrum der Serbe Srđan Mandić von der nichtnationalistischen Partei Naša stranka (Unsere Partei) vor allem von ­Bosniaken gewählt. Nur die kroatische Nationalistenpartei HDZ konnte sich in den Kroatengebieten des zweiten Teilstaates, der bosniaksich-kroatischen Föderation, halten.

Die Bevölkerung lehnt zunehmend die größtenteils korrupten Führungen ab, die immer wieder versuchen, den Nationalismus bei den drei Volksgruppen der Serben, Kroaten und Bosniaken anzuheizen und damit ihre eigene Macht im Staat zu stärken. Doch die Köpfe der nationalistischen Parteien werden immer nervöser, insbesondere der Hardliner und Führer der serbischen nationalistischen Partei SNSD Milorad Dodik. In Banja Luka musste seine Partei eine Schlappe einstecken.

Auch bei den Institutionen der internationalen Gemeinschaft, die in Bosnien und Herzegowina bis heute tätig sind, scheint zuletzt ein Umdenken einzusetzen. Vor 25 Jahre wurde das Dayton-Friedensabkommen 1995 in Paris ratifiziert: Das Abkommen beendete den Krieg und schuf eine formal demokratische Struktur mit Parlamenten auf allen staatlichen Ebenen in der die drei „Konstituierenden Nationen“ einen Kompromiss für den Gesamtstaat finden sollten. Doch die kriegsführenden Eliten blieben an der Macht und setzten in den noch gemischten Gebieten bis ins Kleinste das ethno-nationale Prinzip durch.

Bis heute bildet das Abkommen die Verfassung des Landes – und bevorzugt die Nationalisten. Es wird immer klarer, dass das Abkommen dem Land Fesseln auferlegt, aus dem es sich allein nicht befreien kann.

Auch die notwendigen Reformen für einen Eintritt in die Europäische Union kann das Land nur schwerlich umsetzen. In den letzten Jahren haben mehr als 500.000 Menschen Bosnien und Herzegowina Richtung EU verlassen, weil sei keine Zukunft mehr im Lande sehen.

Noch verfügt die internationale Gemeinschaft über Einfluss: 55 Staaten und Organisationen, darunter die Vereinten Nationen, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und die Weltbank, sind in Bosnien und Herzegowina tätig. Sie bilden den Peace Implementation Council (PIC), der seit 1995 einen Hohen Repräsentanten bestellt, der die Umsetzung des Dayton-Abkommens im Lande überwachen soll und Verstöße ahnden kann, indem er etwa Politiker absetzen könnte.