ANDREAS FANIZADEH LEUCHTEN DER MENSCHHEIT
: Grün handeln, links wandeln

Lord Nicholas Stern wirbt für einen neuen „Global Deal“. „Wie wir dem Klimawandel begegnen und ein neues Zeitalter von Wachstum und Wohlstand schaffen“ ist sein aktuelles Buch im Beck-Verlag untertitelt. Doch, wie soll dieser neue „Global Deal“ ohne genuin grüne Politik aussehen? „Während des G-8-Vorsitzes und der EU-Präsidentschaft hat Deutschland unter Bundeskanzlerin Angela Merkel echte Führungskraft gezeigt,“ sagt Stern. Und: „Ich hatte in den letzten Jahren mehrmals das Privileg an Diskussionen mit Bundeskanzlerin Merkel und Umweltminister Gabriel teilzunehmen.“

Ein schönes Privileg. Zu Gast bei CDU-Kanzlerin und SPD-Minister, sozusagen bei Auto und Atomkraft. Haben wir nicht gerade die Abwrackprämie erlebt und debattiert die Union nicht über mehr Atomenergie? „In den letzten 20 Jahren ist die Windenergie in Deutschland kräftig ausgebaut worden, von knapp über null 1991 auf rund 23.0000 MW 2007“, schreibt Stern im mittleren Teil seines Buchs. Schade, dass er die großen Steigerungsraten in der rot-grünen Regierungsphase nicht extra aufschlüsselt. So einfach ist das nämlich nicht, mit dem Entideologisieren und einem Wandel durch Handel. Für Deutschland lässt sich klar belegen: ohne 68er, Alternativbewegung und Grüne Partei kein ökologisch und sozial modernisierendes Unternehmer- oder Konsumentenbewusstsein. Wo solche Strömungen schwach blieben, wurde wie im Berlusconi-Italien weiterhin mafiotisch Atom- und Giftmüll im Meer verklappt oder wird wie im Brasilien des großen Arbeiterführers Lula an einer neuerlichen Atomoffensive mit über 20 neuen Kraftwerken gebastelt.

Und in Deutschland wurden die Finanzanreize für Unternehmen im Sektor der erneuerbaren Energien nach dem Ende von Rot-Grün wieder zurückgefahren. Schön, wenn Stern glaubt, auch die alten Volksparteien seien mittlerweile ökosozial nachjustiert. Das sind sie nur, solange sie den Druck der Wähler spüren. In diesem Sinne hat die Linkspartei genauso Nachholbedarf wie BMW, die sich nun von Joschka Fischer beraten lassen.

Der Autor leitet das Kulturressort dieser Zeitung Foto: privat