NACH DEM GRILLVERBOT
: Der neue Tiergarten

Ihr landet ausgebeint im Nationalgericht

An Tagen, an denen weder Techno- noch Fußballfans auflaufen, weder Velosportler noch Halbmarathoniken durch das ehemalige Jagdrevier der preußischen Potentaten strampeln, liegt der Tiergarten verlassen und still in der Mitte der Stadt. Und seitdem das Grillen untersagt wurde, kehren die Grillen allmählich zurück. Auch ich quere nach langer Abstinenz wieder die Parkanlage. Meist schlage ich mich allein durchs Gebüsch. Manchmal beobachte ich aus dem Unterholz das wenige Personal, das den Park bevölkert.

Es gibt Leute, die schlagen hier ihr Nachtlager auf; gestern zum Beispiel trat ich fast unversehens auf einen Fuß. Er gehörte zu keiner Leiche, sondern zu einer mittelalten Engländerin in einem durchaus stilvollen Schlafsack, den sie unter einer Laubschicht verborgen hatte. Sie sprang auf, und wir schauten uns für eine Schrecksekunde in die Augen.

Manche krallen sich verliebt ineinander, kullern über den Rasen und pflanzen sich unter den Augen der Dohlen fort. (Keine Sorge: Die Engländerin und ich perlten ab wie Wassertropfen auf Weißkohl.)

Und es gibt Leute, die den Park in erster Linie als Nahrungsquelle nutzen. Das wird mir jetzt niemand glauben. Aber ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Da war ein Mann in Tarnfarben mit einem langen Käscher und im Schlepptau zwei ebenso unauffällig gekleidete Gehilfen. Sie pirschten leisen Schritts durch die Disteln. Vor ihnen Karnickel, die mümmelten unbedarft an der Grasnarbe. Und auf sie fiel der Käscher, und zwei, drei Kaninchen verfingen sich im Netz. Kein Entkommen mehr. Ihr Zappler. Wenn es den Tiergartenwilderern gelingt, euch unbemerkt in die blauweiß gestreifte Sporttasche zu versenken und nach Reinickendorf zu befördern, dann wird euch das Fell über die Ohren gezogen und ihr landet ausgebeint in einem nicht näher benannten Nationalgericht. TIMO BERGER