Bayern ist sich selbst am nächsten

AUSGLEICH Freistaat will gegen Länderfinanzausgleich klagen. Finanzminister Söder: „System ist grundfalsch“

„Hilfe zur Selbsthilfe, aber keine Dauersubvention“

HORST SEEHOFER, MINISTERPRÄSIDENT

AUS MÜNCHEN MARLENE HALSER

MÜNCHEN taz | Bayern will die Verfassungskonformität des Länderfinanzausgleichs vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe überprüfen lassen und damit das bestehende System kippen. Das beschloss das schwarz-gelbe Landeskabinett am Dienstag. Noch in diesem Jahr soll die Klageschrift in Karlsruhe eingereicht werden. Mit einem Urteil rechnet die Staatsregierung frühestens 2014.

„Wir sind zwar solidarisch, aber blöd sind wir nicht“, sagte Finanzminister Markus Söder (CSU). „Jetzt wird nicht mehr gedroht, es wird was getan.“ Er kritisierte das derzeit bestehende Umlagesystem, mit dem finanzschwache Bundesländer subventioniert werden, als „grundfalsch“ und „tief ungerecht“.

Bayern, Baden-Württemberg und Hessen hatten sich als größte Zahler zunächst in Gesprächen mit den anderen Bundesländern um eine neue Regelung bemüht. Den Nehmerländern sei ein „faires, konstruktives Angebot“ unterbreitet worden, das sie leider nicht angenommen hätten, sagte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU). Er betonte, Bayern sei sich seiner bundespolitischen Verantwortung zwar bewusst, ganz offensichtlich bestehe aber „eine Schieflage im System, wenn vier Länder geben und die zwölf anderen unabhängig vom Ausmaß ihrer Anstrengungen nehmen“. Das Prinzip müsse sein „Hilfe zur Selbsthilfe, aber keine Dauersubvention“.

In diesem Jahr liege der Beitrag des Freistaates bei knapp 3,7 Milliarden Euro, rechnete Finanzminister Söder vor. Damit zahle Bayern, das von 1950 bis 1986 selbst Nehmerland war, mehr als die Hälfte der Gesamtsumme des Länderfinanzausgleichs. Er sagte, ein neues System müsse deutlich mehr Anreize für Schuldenabbau und sparsame Haushaltsführung schaffen. Er forderte eine „grundlegende Reform des gesamten Systems“. Denkbar wäre etwa die Einführung einer Belastungsobergrenze für die Zahlungen der Geberländer oder Indikatoren, die Nehmerländer künftig erfüllen müssen, um die Ausgleichszahlungen zu erhalten, ebenso wie Sanktionen für mangelnden Schuldenabbau.

Entgegen der Einladung Bayerns wollen sich Hessen und Baden-Württemberg vorerst nicht an der Klage beteiligen. Man wolle zunächst die Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde prüfen, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer sei in der Debatte „vorgeprescht“, kritisierte er. Man halte sich eine Klage jedoch offen. Auch Hessen will weiter über den Länderfinanzausgleich verhandeln. Bremen erwägt nach Angaben der Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) sogar eine Gegenklage. SPD-Fraktionschef Steinmeier kritisierte das Vorhaben als „durchsichtiges Manöver im bayerischen Vorwahlkampf“.

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