Von Andreas Rüttenauer
: Editorial

Baden-Württemberg hat es nicht leicht. Alle haben eine Meinung zu dem Land, in dem am Sonntag ein neuer Landtag gewählt wird. Den einen gefällt der Dia­lekt nicht, dabei wissen sie vielleicht gar nicht so recht, ob sie Schwäbisch meinen oder Alemannisch. Andere finden das Ländle eh grauenhaft, weil sie mal was von der Kehrwoche gehört haben und alles sein wollen, nur keine schwäbische Hausfrau.

Der Aufstand gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 war nicht von schlechten Eltern, oder? Aber warum treibt es so viele Querdenker, denen etwas an der Coronapolitik nicht passt, ausgerechnet in Baden-Württemberg auf die Straße? Und weshalb sind die Evangelikalen auf der Alb so stark und durchaus einflussreich? Dann ist da all der Reichtum. Ist der nicht von gestern? Im Autoland wird immer noch den Verbrennern gefrönt. Und das soll ein grünes Land sein? Ist es.

Die Aufregung vor der Abstimmung am Sonntag hält sich in Grenzen. Denn der Sieger scheint festzustehen: Winfried Kretschmann und die Kretschmann-Grünen. Wer sonst. Im Land, das einst der CDU zu gehören schien, ist ein grüner Regierungschef zur neuen Normalität geworden. Während Schwabenklischees immer weiter verbreitet werden und immer noch Witze über die Freiburger Mülltrennungsdiktatur gerissen werden, ist Baden-Württemberg zur Avantgarde geworden. Ein bisschen zumindest. Vor zehn Jahren jedenfalls haben die Schulen im Land noch anders ausgesehen. Es ist schon auch was reformiert worden in den zehn Kretschmann-Jahren. Ein bisschen zumindest.

Ob rauszukriegen ist, wie das alles gekommen ist, wenn man sich in einem vermeintlich stinknormalen Ort am Rhein umhört? Es hilft. Denn auch wenn Hartheim von den Zahlen her der pure Durchschnitt Baden-Württembergs ist, so findet sich auch dort etwas Spezielles. Das ist in Mannheim sowieso der Fall. Was sagt der Sound der Stadt über die Stimmung im Land? Oder geht das Verständnis für das Land durch den Magen? Ein Spitzenkoch wird am besten wissen, dass es mehr in Baden-Württemberg zu essen gibt als bauchige Brezeln. Ob das hilft, das Land zu verstehen? Wir ­hoffen es.