Externe Untersuchung zu Hanau-Anschlag: „Das grenzt an Vertuschung“

Die Hinterbliebenen des Hanau-Anschlags werfen den Behörden mangelnde Aufklärung vor. Nun fordern sie eine unabhängige Untersuchungskommission.

Demonstrierende auf einer Kundgebung in Hanau ein Jahr nach dem Anschlag

Auch sie forderten Aufklärung: Demonstrierende in Hanau ein Jahr nach dem Anschlag Foto: Andreas Arnold, dpa

HANAU/BERLIN taz | Die Vorwürfe sind harsch. Ernsthafte Aufklärung des Hanau-Anschlags werde von hessischen Verantwortlichen blockiert, mögliches Behördenversagen kleingeredet, Kritik totgeschwiegen. So sehen es Hinterbliebene des Anschlags. Nun fordern sie die Einrichtung einer unabhängigen Untersuchungskommission.

Die hessische Landesregierung um Ministerpräsident Volker Bouffier und Innenminister Peter Beuth, beide CDU, sei an der Aufklärung des Hanau-Anschlags „erkennbar nicht interessiert“, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung von Hinterbliebenen um Armin Kurtovic, den Vater des beim Anschlag ermordeten Hamza Kurtovic. Seit Monaten bestehende offene Fragen zu möglichem Behördenversagen würden „bagatellisiert oder aktiv abgeblockt“. Es entstehe der Verdacht, die Landesregierung wolle etwas verbergen. „Das grenzt an Vertuschung.“

„Wir werden es aber nicht zulassen, dass unsere berechtigten Fragen und unsere sachliche Kritik ignoriert werden und dass behördliches sowie polizeiliches Versagen unter den Teppich gekehrt werden kann“, erklären die Hinterbliebenen. Deshalb brauche es eine unabhängige Untersuchungskommission. Dieser sollten nach Vorstellung der Betroffenen Kriminologen, Forensiker, Juristen sowie Vertreter von Justiz, Polizei, Politik und Medien angehören – alle bestenfalls nicht aus Hessen.

Am 19. Februar 2020 hatte ein 43-Jähriger in Hanau neun Menschen aus Familien mit migrantischen Wurzeln erschossen, danach auch seine Mutter und sich selbst. In einem Schreiben hatte er zuvor einen Verfolgungswahn offenbart, aber auch rassistischen Hass.

Scharfe Kritik an den Behörden

Die Hinterbliebenen hatten bereits kurz nach der Tat Kritik an den Behörden geübt. So seien sie anfangs nicht über den Verbleib der Ermordeten informiert worden, bis heute seien ihnen die genauen Geschehnisse in der Tatnacht vorenthalten worden.

Zudem sei weiter offen, warum der psychisch kranke Attentäter eine Waffenerlaubnis behalten durfte oder warum der Notruf in der Tatnacht unterbesetzt war. Auch die Rolle, die der Vaters des Attentäters spielte, bleibe ungeklärt. Mit mehreren Anzeigen hatten die Familien versucht, Ermittlungen zu forcieren.

Das hessische Innenministerium verwies gegenüber der taz auf die laufenden „intensiven strafrechtlichen Ermittlungen“. Weder die Polizei noch das Ministerium könnten deshalb umfänglich zu konkreten Fragen, welche die Tatnacht beträfen, Auskunft geben. Nach Ende des Ermittlungsverfahrens werde man aber mit den Hinterbliebenen „alle wichtigen Erkenntnisse teilen“, sagte ein Sprecher. Zahlreiche Fragen seien zudem bereits in einer öffentlichen Landtagssitzung im Mai 2020 beantwortet worden.

Die Opferfamilien sehen das anders. Immer dort, wo es um mögliche Fehler der Behörden selbst geht, würden Fragen gerade nicht beantwortet. Es sei deshalb inzwischen „unumgänglich“, dass externe Fachleute, die keine Beziehungen zur Landesregierung hätten, den Terroranschlag aufklärten, schreiben die Hinterbliebenen. „Das Ziel ist, dass keine Familie erneut erleben muss, was wir erleiden müssen.“

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