von Boettichers neue Gene

Schleswig-Holsteins Agrar-Minister plant, durch Pflanzen mit verändertem Erbgut der Landwirtschaft Perspektiven zu eröffnen. Ob die Bauern im gentechnikfreien Bundesland das wollen, oder nicht

von Esther Geißlinger

Landwirtschaftsminister Christian von Boetticher (CDU) hat es schwer: Der 34-Jährige ist das einzige Mitglied im schwarz-roten Kieler Kabinett, dem sein Chef fachlich permanent reinreden kann: Peter Harry Carstensen hat Landwirtschaft studiert, unterrichtet und sich jahrelang im Bundestag damit beschäftigt.

Da muss von Boetticher erstmal gegenhalten. Und das versucht er tapfer: Zuerst erklärte er Krähen und Kormorane zum Staatsfeind Nummer 1, dann will er die Knicks abholzen lassen, jene regionaltypischen Gebüschstreifen, die, häufig auf Erdwällen, die Felder begrenzen (taz nord, 15. Juli). Sein neuester Streich: Nun soll auch noch genmanipuliertes Saatgut auf die derart vergrößerten Felder gebracht werden.

Bei einem Treffen mit seinen Amtskollegen Hans-Heinrich Ehlen, Niedersachsen und Tilmann Backhaus, Mecklenburg-Vorpommern, wurde von Boetticher deutlich: „Die Gentechnik gilt als eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Ich bin der Auffassung, dass wir die Chancen der Grünen Gentechnologie nutzen sollten. Ihr Innovationspotenzial eröffnet vielfältige Perspektiven auch für die Landwirtschaft“.

Nicht vielfältig, sondern ganz eindeutig wäre die Perspektive zumindest für eine Gruppe von Landwirten: „Das ist eine Bedrohung des gesamten Ökolandbaus“, sagt Carola Ketelhodt, Landesgeschäftsführerin des Verbandes Bioland. Denn Samen gentechnisch veränderter Pflanzen auf dem Nachbarfeld können durch Wind oder Insekten auf die Flächen der Biobauern gebracht werden und damit möglicherweise eine komplette Ernte unbrauchbar machen: Ab einem Anteil von 0,9 Prozent genmanipulierter Bestandteile darf die Ware nicht mehr als Öko-Produkt verkauft werden. Der Landwirt kann sie nur noch in den konventionellen Handel bringen. Schon jetzt, klagt Ketelhodt, seien die Biobauern die Leidtragenden: „Jede Charge wird kontrolliert – die Kosten dafür tragen nicht etwa die Verursacher, sondern die Biobauern, die diese Saaten gerade nicht verwenden. Das ist ungerecht“.

In Schleswig-Holstein gab es bisher keinen Grund zur Sorge: „Trotz Vorgaben der EU hat die Landesregierung alle Spielräume für gentechnikfreie landwirtschaftliche Produktion genutzt“, verkündeten die Grünen, in der alten Regierung für das Umwelt- und Landwirtschaftsressort zuständig, in ihrem Wahlprogramm.

Schleswig-Holstein gehörte sogar – als einziges Bundesland – der „Initiative europäischer Regionen für gentechnikfreie Zonen“ an. Einzig auf klar abgegrenzten Versuchsfeldern wuchsen genmanipulierte Pflanzen.

Das könnte sich nun ändern. Zwar wacht bislang ein Bundesgesetz des Verbraucherschutzministeriums über die Gentechnik. Sein Hauptzweck ist, „Leben und Gesundheit von Menschen, die Umwelt, Tiere, Pflanzen und Sachgüter vor schädlichen Auswirkungen der gentechnischen Verfahren zu schützen“, erst in zweiter Linie sollen Forschungen ermöglicht werden. „Dieses Gesetz ist übergeordnet“, erklärt Ketelhodt. „Aber die Umsetzung ist Ländersache.“

Gerade Mecklenburg-Vorpommern verspräche sich einen Aufschwung durch die Gentechnik – eine Fehlkalkulation, wenn man Ketelhodt folgt: „Da werden vielleicht ein paar Forscher eingestellt, aber der wirtschaftliche Schaden ist immens.“ Allein in Schleswig-Holstein arbeiten zur Zeit rund vier Prozent der Bauern nach strengen Öko-Kriterien, die Tendenz stieg in den vergangenen Jahren, bestehende Betriebe kauften Flächen hinzu.

Leiden würde aber auch konventionelle Landwirte, die aus ganz praktischen Gründen auf genmanipulierte Pflanzen auf ihren Flächen lieber verzichten würden: Schließlich scheuen viele Verbraucher vor Genprodukten zurück.

Manipuliert werden heute vor allem Soja und Mais, von denen Spuren in vielen Lebensmitteln enthalten sind. 2004 wuchsen auf weltweit 81 Millionen Hektar – mehr als das Fünffache aller landwirtschaftlichen Flächen in Deutschland – genetisch veränderte Pflanzen.