LESERINNENBRIEFE
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Mangel an Sauberkeit

■ betr.: „Wie hältst du’s mit der Vorhaut?“, taz vom 12. 7. 12

Ich möchte mal ein anderes Argument in die Diskussion bringen. Frauenärzte vertreten die Meinung, dass Gebärmuttermundkrebs bei Frauen durch die fehlende Sauberkeit der Männer entsteht. Es könnte ja sein, dass zu damaliger Zeit ein pfiffiger Arzt dies bereits erkannt hat und in die Religion integriert hat, weil er sonst keine Chance gehabt hätte, gehört zu werden. Aus meiner Sicht wird die Vorhaut nicht gebraucht und sollte gleich nach der Geburt entfernt werden. GISELA ROBRA, Berlin

Schweigende Mehrheit

■ betr.: „Einschnitte in Fleisch und Frieden“, taz vom 12. 7. 12

Holm Putzkes Rechtsauffassung gehört ganz nach vorne gestellt. Das Urteil des Kölner Landgerichts gibt wieder einmal die Gelegenheit, zu klären, was Religion und was Glauben ausmacht. Nicht nur für den Staat, sondern auch für die Gläubigen selbst. Wer wirklich glaubt, der wird seinen Glauben nicht an Traditionen binden, die in der modernen Zeit befremdlich oder gar gesetzlich fragwürdig sind. Und wer von seinem Glauben überzeugt ist, der lässt auch den nachkommenden Generationen die Wahl, ob sie sich dem Glauben und/oder den kulturellen Gewohnheiten anschließen oder nicht. Unter den Gläubigen aller Richtungen sind diese aufgeklärten Menschen in der Mehrheit. Leider meist in der schweigenden. Die öffentliche Debatte wird durch die Hardliner bestimmt, die ihre Form der Religionsausübung – und damit ihren Macht- und Deutungsanspruch – als einzig gültige darstellen. Die politischen Akteure hören zu oft auf diese Minderheiten, die am lautesten schreien können, schnell beleidigt sind und zur Not noch einen Nazivergleich bereithalten. Der Staat darf jedoch niemals Grundrechte eines einzelnen Menschen zugunsten kultureller Gewohnheiten zurückstellen. Die körperliche Unversehrtheit eines minderjährigen Menschen fällt ganz sicher darunter. Den Abgeordneten wünsche ich mehr Mut, diesen Standpunkt zu verteidigen und sich nicht hinter Gerichten zu verstecken. OLIVER VARELMANN, Münster

Ungewaschene Ohren

■ betr.: „Einschnitte in Fleisch und Frieden“, taz vom 12. 7. 12

Ein erwachsener selbstbestimmter Mensch soll sich aus religiösen Gründen abschneiden dürfen, was er möchte. (Offensichtlich hält man die Konstruktion des allmächtigen Schöpfers für korrekturbedürftig.) Nimmt man solches aber an Kindern vor, so ist es natürlich Körperverletzung. Dieses dann auch noch medizinisch begründen zu wollen, wie die Ärztin aus Bamberg, zeigt den ganzen Unfug dieser Praxis. Mit demselben Argument könnte man den Jungs die Ohren abschneiden, weil sie sich dahinter auch nie waschen. Aus medizinischen Gründen würde man so etwas natürlich nie tun. Wenn aber ein Prophet welcher Religion auch immer Derartiges gefordert hätte, dann bin ich sicher, dass nennenswerte Teile der Menschheit ohne Ohren durch die Weltgeschichte laufen würden.

HUBERT VOLLMER, Freiburg im Breisgau

Leben und Gesundheit vorrangig

■ betr.: „Karlsruhe soll’s jetzt richten“, taz vom 12. 7. 12

Dass sowohl die Beschneidung von Mädchen als auch die Beschneidung von Jungen tatbestandsmäßig Körperverletzung darstellen, wenn und soweit sie nicht medizinisch indiziert sind, kann juristisch nicht zweifelhaft sein. Dass jedenfalls die Beschneidung von Jungen im Judentum und vom Islam als Religionsausübung angesehen wird, ändert daran nichts und stellt auch grundsätzlich keinen Rechtfertigungsgrund dar. Leben und Gesundheit gehen dem Rechtsgut der freien Religionsausübung vor.

Sowohl im Islam als auch im Judentum war die Steinigung von Ehebrecherinnen gesetzlich geboten (vgl. auch das Neue Testament, Johannes 8,3–7). Kein intellektuell redlicher Mensch käme auf die Idee, derartige Abscheulichkeiten aus religiösen Gründen zu rechtfertigen. Auch religiöse Auffassungen müssen sich wandeln. Sowohl jüdisches als auch muslimisches Leben muss auch ohne Körperverletzungen an unmündigen Kindern möglich sein.

HANS-JÜRGEN PAWLIZKI, Berlin

Die richtige Richtung

■ betr.: „Karlsruhe soll’s jetzt richten“ u. a., taz vom 12. 7. 12

Ein Verbot der Beschneidung von Kindern und Babys verstößt nicht gegen die Religionsfreiheit. Im Gegenteil: Die Beschneidung von Kindern und Babys verstößt gegen die Religionsfreiheit. Kinder und Babys gehören keiner Religion an. Sie sind genauso wenig christlich, muslimisch oder jüdisch, wie sie auch nicht sozialdemokratisch, christdemokratisch, links oder rechts sind. Christlich, muslimisch oder jüdisch ist, wer sich zu dieser Religion zugehörig fühlt. Voraussetzung dafür ist Religionsmündigkeit. Der Wunsch von Eltern und Religionsgemeinschaften, Kinder und Babys unwiderruflich religiös zu markieren und an ihnen religiöse Riten zu vollziehen, stellt einen Missbrauch von wehrlosen, religionsunmündigen Kindern und Babys dar, verstößt gegen deren Religionsfreiheit und ist daher weder mit dem Grundgesetz noch mit den Menschenrechten zu vereinbaren. Das aufgeklärte Urteil aus Köln weist in die richtige Richtung.

Solch eine Operation kann nicht mehr rückgängig gemacht werden und kann psychische Probleme bereiten, wenn sich das Kind später gegen diese Religion entscheidet. MATHIAS THIEDE, Berlin